Aufgrund der veränderten Zusammenarbeit in den Unternehmen ändern sich auch die Anforderungen an Führung. Die Gründerin des Instituts für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ) Barbara Liebermeister stellt die Ergebnisse einer Studie ihres Institutes vor.
In den Unternehmen gewinnt ausser dem Führen auf Distanz das Thema laterale Führung, also Führung ohne Weisungsbefugnis, stark an Bedeutung. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Alpha Collaboration – Führung im Umbruch; Perspektiven für die Zusammenarbeit der Zukunft“. Für sie wurden 482 Führungskräfte in der DACH-Region online und 51 in vertiefenden Interviews persönlich befragt.
Bei der Befragung äussern die meisten Führungskräfte (95,1 Prozent) die Vermutung, dass ihr Team auch mittel- und langfristig einen hybriden oder gar rein virtuellen Charakter haben wird. Zudem erwarten 79,9 Prozent, dass künftig die Bereichsgrenzen in der Alltagsarbeit eine immer geringere Rolle spielen, weshalb das Thema laterale Führung an Bedeutung gewinnt. Als Ursache nennen die Führungskräfte, dass die Kernleistungen der Unternehmen zunehmend in bereichs- und unternehmensübergreifender Team- und Projektarbeit erbracht werden. Dadurch steigt ausser der Bedeutung der Online-Kommunikation auch ihre Abhängigkeit von anderen Personen als den eigenen Mitarbeitenden.
Führungskräfte sind als Beziehungsmanager gefragt
Gegenüber diesen Partnern haben die Führungskräfte keine Weisungsbefugnis. Deshalb stehen sie vermehrt vor der Herausforderung, auch Personen zu inspirieren, deren Vorgesetzte sie nicht sind. Entsprechend stark gewinnen die Führungsrollen Influencer/Beziehungsmanager (64,8 Prozent) und Leader/Sinnstifter (79,8 Prozent) an Bedeutung. Zum Bedeutungszuwachs dieser Rollen trägt bei, dass sich auch die Mitarbeitenden gewandelt haben. Hierin sehen 70,2 Prozent der Führungskräfte ausser in der Digitalisierung (80,3 Prozent) einen zentralen Treiber der Veränderung.
Führungskräfte sind keine Fans des Führens auf Distanz
Als zentralen Punkt, warum sie künftig teils andere Kompetenzen brauchen, verweisen die Führungskräfte immer wieder auf das virtuelle Führen und das vermehrte Arbeiten im Homeoffice. Dabei fällt auf: Die meisten Führungskräfte erachten das Führen auf Distanz eher als ein notwendiges Übel. Nur 29,5 Prozent sind der Auffassung, diese Form der Führung habe mehr Vor- als Nachteile. Die Vorbehalte vieler Führungskräfte gegen das virtuelle Führen bzw. Führen auf Distanz resultieren auch daraus, dass laut ihrer Einschätzung etwa ein Drittel ihrer Mitarbeitenden nicht den erforderlichen Reifegrad und Entwicklungsstand haben, um weitgehend eigenständig und -verantwortlich im Homeoffice zu arbeiten. Zudem sehen sie beim virtuellen Führen die Gefahr einer sinkenden Beziehungsqualität zwischen den Mitarbeitenden und ihnen (78 Prozent) sowie einer sinkenden Identifikation mit dem Unternehmen (51,8 Prozent).
Alpha Collaboration erfordert Vertrauenskultur
Die Führungskräfte haben, wenn sie über das Thema Teamführung sprechen, häufig bereits die bereichs- oder gar unternehmensübergreifenden Arbeitsteams vor Augen, deren Zusammenarbeit sie koordinieren müssen, um die angestrebte Leistung zu erbringen. Dieser bereichs-, funktions- und nicht selten auch unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit, die das IFIDZ – in Anlehnung an den Begriff Alpha Intelligence – Alpha Collaboration nennt, gehört die Zukunft.
Ein Teil der Führungskräfte hat bereits verinnerlicht, dass eine auf eine Verbesserung der Alpha Collaboration abzielende Führung auch ein teils verändertes Selbstverständnis als Führungskraft und Führungsverhalten erfordert. Sie müssen die Mitarbeitenden aufgrund ihres Auftretens und Verhaltens als Person sowie mithilfe der Kraft ihrer Argumente als Mitstreiter gewinnen. Deshalb ist hierbei ebenso wie beim Führen auf Distanz Vertrauen ein zentraler Erfolgsfaktor. Ansätze einer solchen Kultur der Zusammenarbeit und Führung, die in der VUCA-Welt zunehmend erfolgsrelevant ist, existieren bereits in den Unternehmen. Diese gilt es auszubauen.
Barbara Liebermeister, Gründerin und Leiterin, Institut für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDIZ). |