Die Geschichte der Post-it-Haftnotizen

Jeder kennt Post-it-Haft­no­ti­zen und fast jeder benutzt sie. Die selbst­kle­ben­den Zet­tel zäh­len über 40 Jah­re nach ihrer Ein­füh­rung zu den Klas­si­kern im Büro. Ihre Ent­ste­hung ver­dan­ken sie dem Zufall und dem Erfin­der­geist eines lei­den­schaft­li­chen Sän­gers. Ein Rückblick.

Die US-Zeit­schrift For­tu­ne erklär­te die Haft­no­ti­zen, für die heu­te vie­ler­orts der Mar­ken­na­me Post-its syn­onym ver­wen­det wird, ein­mal zu einer der wich­tig­sten Erfin­dun­gen des 20. Jahr­hun­derts. Was aber kaum jemand weiss – sie waren kein geplan­tes Produkt.

Aller Anfang ist schwer

Die Geschich­te der Haft­no­ti­zen begann im Jahr 1968. Spen­cer Sil­ver beschäf­tig­te sich im Labor der Min­ne­so­ta Mining and Manu­fac­tu­ring Com­pa­ny (3M) mit der Ent­wick­lung eines neu­en Super-Kleb­stoffs, wel­cher stär­ker und viel­sei­ti­ger wer­den soll­te, als alle bis­her bekann­ten Kle­ber. Das Ergeb­nis war aber nur eine kleb­ri­ge Mas­se, die sich zwar auf alle Flä­chen auf­tra­gen liess, doch genau­so leicht wie­der abzu­lö­sen war. An die­sem Punkt wuss­te der Erfin­der nicht wei­ter, aber er glaub­te fest an eine Ver­wen­dungs­mög­lich­keit und mach­te den neu­en Kleb­stoff mit fast mis­sio­na­ri­schem Eifer unter sei­nen Kol­le­gen publik.

Inspiration beim Singen

Vie­le Jah­re spä­ter, 1974, kam schliess­lich Arthur Fry der ent­schei­den­de Ein­fall. Fry, eben­falls ein 3M-Che­mi­ker, war begei­ster­tes Mit­glied im ört­li­chen Kir­chen­chor und leg­te stets klei­ne Zet­tel ins Noten­buch, um sei­ne Ein­sät­ze leich­ter zu fin­den. Obwohl pres­by­te­ria­ni­sche Got­tes­dien­ste in der Regel ruhig ver­lau­fen, fie­len sei­ne Zet­tel so oft her­aus, dass er sich an die Erfin­dung sei­nes Kol­le­gen erin­ner­te und den ver­schmäh­ten Kle­ber aus dem Labor besorg­te. Er bestrich sei­ne Zet­tel damit, die nun nicht nur hiel­ten, son­dern auch ohne Rück­stän­de wie­der von den Sei­ten zu lösen waren. Über­zeugt, ein neu­es Lese­zei­chen erfun­den zu haben, ver­sorg­te der fin­di­ge Fry zunächst sei­ne Kol­le­gen mit den selbst­kle­ben­den Zet­teln, die sich schnell dafür begei­ster­ten. So wur­de aus einem Lese­zei­chen ein neu­es Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel, denn immer häu­fi­ger hin­ter­lies­sen die 3M-Mit­ar­bei­ter Bot­schaf­ten auf den Haft­zet­teln oder nutz­ten sie zur Beschrif­tung ihrer Unterlagen.

Haftnotizen für alle

1977 prob­te 3M dann die erste Markt­ein­füh­rung in vier ame­ri­ka­ni­schen Städ­ten, aber über­ra­schen­der­wei­se woll­ten nur weni­ge die neu­en Kle­be­zet­tel kau­fen. Die 3M-Mit­ar­bei­ter rät­sel­ten, war­um die­ses Pro­dukt, das intern ein sol­cher Erfolg war, sich nun als Flop erwies. Um direkt zu sehen, wie Leu­te aus­ser­halb von 3M auf die Kle­be­zet­tel reagier­ten, fuh­ren zwei Mit­ar­bei­ter in eine der Test­städ­te, um eine ein­tä­gi­ge Expe­di­ti­on in Sachen Markt­for­schung durch­zu­füh­ren. Sie such­ten Büros in der gan­zen Stadt auf, ver­teil­ten Test­ex­em­pla­re und führ­ten vor, wie viel­sei­tig die von ihnen Post-its genann­ten Haft­no­ti­zen ein­ge­setzt wer­den kön­nen – und die­ses Mal waren die Leu­te begeistert.

Der Durchbruch

Nach die­sem Erfolg wur­de ein letz­ter, gross ange­leg­ter Ver­such in einer Stadt in Ida­ho gestar­tet. Nahe­zu alle Büros wur­den belie­fert, die Schreib­wa­ren­lä­den mit gros­sen Ban­nern und Wer­be­ma­te­ria­li­en aus­staf­fiert, sogar die Zei­tung berich­te­te. Aber das Wich­tig­ste war, dass wie­der Leu­te an die „Basis“ geschickt wur­den und das direk­te Vor­füh­ren wie­der­hol­ten. Die Kam­pa­gne wur­de ein sen­sa­tio­nel­ler Erfolg, und 3M ris­kier­te es, das Pro­dukt auf den Markt zu brin­gen. Zu Beginn der US-wei­ten Ein­füh­rung 1980 rech­ne­te man damit, dass es eini­ge Jah­re dau­ern wür­de, bis sich das neue Pro­dukt durch­ge­setzt haben wür­de, aber schon nach einem Jahr schrieb 3M mit den gel­ben Post-its schwar­ze Zahlen.

Haftnotizen heute

Haft­no­ti­zen gibt es mitt­ler­wei­le in mehr als 400 For­men und Far­ben. Auch die vor­an­schrei­ten­de Digi­ta­li­sie­rung der Büro­ar­beit kann den Post-its offen­bar nichts anha­ben. Ganz im Gegen­teil. Nicht nur in krea­ti­ver Start-up-Umge­bung wer­den sie als fle­xi­bles Arbeits­mit­tel sehr geschätzt. Mit den Haft­no­ti­zen las­sen sich aus Trenn­wän­den schnell Plät­ze zum Fest­hal­ten von Ideen, Arbeits­schrit­ten usw. machen. Und auch eine Wall of Clues – ursprüng­lich sam­mel­ten ame­ri­ka­ni­sche Poli­zi­sten an sol­chen Wän­den ihre Hin­wei­se – lässt sich ohne Haft­no­ti­zen nur schwer vorstellen.

Dabei ist die ste­ti­ge Wei­ter­ent­wick­lung auf­grund ver­än­der­ter Anwen­dungs­fel­der der Schlüs­sel zum Erfolg. „Trotz Digi­ta­li­sie­rung sind Haft­no­ti­zen aus unse­rem Leben nicht weg­zu­den­ken. Eine hand­ge­schrie­be­ne Notiz ist nicht nur per­sön­li­cher, sie bleibt auch län­ger im Gedächt­nis. Und zur Erar­bei­tung und Abbil­dung von Inno­va­ti­ons­pro­zes­sen wer­den sie als krea­ti­ves Tool sehr geschätzt“, so Roland Mei­er, Regio­nal Busi­ness Lea­der Con­su­mer Busi­ness Group bei 3M.

Die klei­nen Notiz­zet­tel sind aber auch schon über das Büro­um­feld hin­aus­ge­wach­sen. Post-it-Kunst ist zu einem Bestand­teil moder­ner Pop-Kul­tur gewor­den und soge­nann­te Post-it-Wars wur­den zu einem belieb­ten Zeit­ver­treib. Es gibt vie­le Vide­os über Aktio­nen mit Haft­no­ti­zen. Sie zeu­gen von gros­ser Krea­ti­vi­tät, der Auf­wand ist teil­wei­se enorm.