Die Vielzahl der virtuellen Meetings während der Pandemiejahre hat vielerorts den Dresscode verändert. Professionalität bleibt im hybriden Arbeitsalltag jedoch weiterhin angebracht. Wie unsere Kameranutzung auf die Kollegen wirkt, erklärt Holger Reisinger von Jabra/GN Audio.
In Zeiten von flexibler Arbeit sind wir zunehmend auf Technik angewiesen, um online die Kaffeekränzchen, Besprechungen, Kreativworkshops und Brainstormings umzusetzen, die vorher im Büro stattgefunden haben. Selbst wenn wir wieder im Büro sitzen, schalten sich bei fast jedem Meeting Kollegen digital dazu. Wenn wir über Video kommunizieren, ist es schwieriger, nonverbale Signale unserer Gesprächspartner zu lesen. Zudem sind wir gleichzeitig damit beschäftigt, uns in dem kleinen Kamerafenster zu betrachten und zu beurteilen. Und das nicht ohne Grund, denn 52 Prozent der vollständig remote oder flexibel arbeitenden Beschäftigten ist eine professionelle Aussenwirkung online wichtiger denn je.
Auswirkungen einer eingeschalteten Kamera
Die 2023 veröffentlichte „Hybrid Ways of Working“-Studie von Jabra zeigt, dass Mitarbeitende, die an einem Onlinemeeting mit eingeschalteter Kamera teilnehmen, in den Konversationen ernster genommen werden. Da zwei Drittel der Meetings online oder hybrid stattfinden, ist es vorteilhaft, seine Kamera anzuschalten. Wenn wir uns im Büro persönlich gegenüberstehen, geben wir ständig körpersprachliche und soziale Signale ab, die sich darauf auswirken, wie unsere Gesprächspartner uns wahrnehmen. Obwohl wir persönliche Interaktionen (noch) nicht eins zu eins in Onlinemeetings nachahmen können, kann das Einschalten der Kamera die Wahrnehmung unserer Person verbessern. 40 Prozent der Befragten haben angegeben, dass Kollegen mit eingeschalteter Kamera in Meetings engagierter wirken als Teilnehmende mit ausgeschalteter Videofunktion. Die Kamera einzuschalten bedeutet folglich nicht nur, gesehen zu werden, sondern auch als aktiver und engagierter beurteilt zu werden.
Stehen Mitarbeitende durch die Kamera unter Druck?
Vielen Menschen ist es unangenehm, die Kamera einzuschalten, da es kognitiv ermüdend sein kann und zu einer erhöhten Selbstwahrnehmung führt. Die Studie von Jabra weist darauf hin, dass dies auf einige Menschen stärkere Auswirkungen hat als auf andere. Den Studienergebnissen zufolge gilt dies für die jüngeren Generationen mehr als für die älteren. Generation Z und Millennials sind nicht nur diejenigen, die sich bei Onlinemeetings am häufigsten ausgegrenzt fühlen, sie verspüren auch den grössten Druck, ihre Kamera anzuschalten. In der Regel befinden sie sich noch am Anfang ihrer Karriere und besitzen weniger Erfahrung, sodass es durchaus einschüchternd sein kann, von allen gesehen und gehört zu werden.
Alter und Teilnehmerzahl als Faktoren
Die Entscheidung, die Kamera einzuschalten, hängt im Allgemeinen von der Teilnehmeranzahl, der eigenen Rolle und den anderen Teilnehmenden der Besprechung ab. In kleinen Besprechungen schalten Teilnehmende der Generation Z eher die Kamera ein, da es auffällt, wenn sie es nicht tun. Die Generationen, die schon länger im Berufsleben stehen wie Generation X und Boomer, sind dagegen weniger besorgt. 33 Prozent der Generation X und 36 Prozent der Boomer haben angegeben, dass sie ihre Kamera nie einschalten. Nehmen Vorgesetzte an der Besprechung teil, zeigen sich bei der Kameranutzung der unterschiedlichen Generationen keine merklichen Unterschiede.
Wie sich jemand in Meetings präsentiert, hängt also massgeblich von der Berufserfahrung und der Position im Unternehmen ab. Wenn sich aber bestimmte Personengruppen systematisch unwohl oder entfremdet fühlen, erschwert dies den Aufbau einer Vertrauenskultur erheblich. Wir bei Jabra sind der Meinung, dass Mitarbeitende am produktivsten arbeiten, wenn sie an Besprechungen so teilnehmen, wie es für sie am angenehmsten ist – remote oder persönlich.
Ist die Kamera eine Win-win-Situation für alle?
Das Einschalten der Kamera kann sich erwiesenermassen positiv auf die Karriere und die Wahrnehmung auswirken sowie Meetings effizienter machen. Führungskräfte müssen aber ihrer Aufgabe gerecht werden und sicherstellen, dass sich alle Mitarbeitenden in einer Besprechung wohlfühlen – ob mit oder ohne eingeschaltete Kamera. Durch klare Richtlinien können Geschäftsführer den Druck mindern, die Kamera einzuschalten, eine bessere Besprechungskultur schaffen und somit bessere Meetings für alle gewährleisten.