Künstliche Intelligenz hat riesiges Potenzial, die Unternehmensführung und Arbeitsorganisation sowie strategische Entscheidungsprozesse zu revolutionieren. Der Interim-Manager Eckhardt Hilgenstock befürchtet, dass der Grossteil der mittelständischen Unternehmen darauf nicht vorbereitet ist.

Wir stehen am Beginn eines neuen KI-Zeitalters, das in seiner Dimension noch völlig unterschätzt wird. Diese zehn Faktoren werden eine Schlüsselrolle beim Umgang der Unternehmen mit künstlicher Intelligenz spielen:
- Im Management herrscht eine diffuse Ahnung, dass man sich mit KI beschäftigen sollte. Hierfür gibt es zwei Gründe: die Zukunft der Firma und die eigene Karriere.
- KI wird häufig als eine abstrakte Entwicklung begriffen, die man beobachten sollte, um darauf vorbereitet zu sein. Der konkrete Nutzen für den eigenen Betrieb wird in vielen Fällen marginalisiert.
- Die KI-Betrachtung beschränkt sich oft auf generative KI. Also auf Systeme, die Texte, Bilder, Grafiken und Videos erzeugen. Die weiteren Dimensionen künstlicher Intelligenz werden übersehen.
- KI wird perspektivisch als Massnahme zur Produktivitätssteigerung und Kostensenkung eingestuft. Eine mögliche fundamentale Veränderung von Geschäftsmodellen wird selten erkannt.
- Für viele Führungskräfte ist KI nur eines von zahlreichen Problemfeldern. Die anderen Gebiete – Fachkräftemangel, wirtschaftliche Verwerfungen, Lieferkettenengpässe, regulatorische Anforderungen etc. – werden oft als dringender angesehen, sodass KI warten muss.
- Die Geschwindigkeit wird unterschätzt, mit der KI fundamentale Umbrüche nach sich zieht.
- Das Thema KI wird immer wieder der IT zugeschlagen, also bloss aus technischer Sicht gesehen, ohne die unternehmerische Bedeutung zu erkennen.
- Viele Unternehmen verfügen über veraltete und unstrukturierte Datenbestände, sodass es keine leistungsfähige KI geben kann. Die Aktualisierung bzw. Stabilisierung der Datenbasis sollte der erste Schritt sein, damit KI-Pilotprojekte erfolgreich sein können.
- Soweit es über die IT hinausgeht, führen die rechtlichen und ethischen Aspekte durchweg zu Verzögerungen. Datenschutz, Governance und die Verantwortung für KI-Entscheidungen gelten als schwierige Fragen, die zu lösen sind, bevor es losgehen kann.
- Der kulturelle Wandel wird unterschätzt. KI verändert nicht nur Prozesse, sondern auch Arbeitskulturen, Rollenbilder und Machtverhältnisse in Organisationen. Ohne aktive Change-Begleitung scheitern viele KI-Einführungen am Menschen.
KI verändert die Spielregeln
Es genügt in jeder Branche im Grunde ein einziger globaler Anbieter, der sich durch intensive KI-Nutzung massive Wettbewerbsvorteile verschafft, um alle anderen Marktbeteiligten in kurzer Zeit in Schwierigkeiten zu bringen. Denn KI verändert die Spielregeln. Prozesse, die früher Personal, Erfahrung und Zeit erforderten, werden durch maschinelle Systeme schnell optimiert. Hier seien beispielhaft Business-Development, Personalplanung, Kundenservice, Supply-Chain-Management oder strategische Marktanalysen genannt.

In der Regel sind die Beschäftigten begeistert, wenn sie erleben, wie KI ihren Job zum Positiven verändert. KI-gestützte Vertriebsmodelle bringen schnelle Erfolge, Mehrsprachigkeit ist auf einmal kein Problem mehr, Planspiele lassen sich auf Knopfdruck durchführen.
Engpass an KI-kompetenter Führung
KI führt zu fundamentalen Verschiebungen im Führungskonzept mit einem Kontrollverlust auf Top-Ebene. In klassischen Strukturen werden Entscheidungen top-down getroffen, weil die Führungsebene den vermeintlich besseren Überblick hat. Aber KI-Systeme liefern Echtzeitanalysen, die Entscheidungen datenbasiert und dezentral unterstützen. Das läuft oftmals auf Evidenz versus Erfahrung und Intuition hinaus, und in vielen Fällen gewinnt die KI. In vielen Führungsetagen herrscht Ratlosigkeit, wie mit diesem Kontrollverlust umzugehen ist. In anderen ist das Bewusstsein für diese Fragestellung noch gar nicht angekommen.