Digitale Infrastrukturen verändern Beziehungen: Wir sollten sie pflegen! Zu den Grundregeln einer glaubwürdigen Kommunikation gehören Präsenz und Aufmerksamkeit. Der Autor und Kommunikationsexperte Stefan Häseli gibt Tipps für respektvolles Verhalten in Meetings und Konferenzen.
Wer heute in eine Sitzung, einen Workshop oder eine wie auch immer geartete Veranstaltung blickt, kennt dieses Beispiel: Bei vielen Teilnehmenden hat sich eine lästige Verhaltensweise eingeschlichen, die ganz und gar nicht Knigge-like ist. Da wird gleich zu Beginn der Laptop routinemässig auf den Tisch gestellt und sogleich aufgeklappt. Es ist wie in der IT-Schulung, doch es hat den Beziehungscharme einer Fertiggarage.
Selbst während des Starts und bei der Begrüssung, vor allem aber im weiteren Verlauf der Veranstaltung findet diese Szene ihre Fortsetzung: Da bleiben die Blicke auf dem Bildschirm, obwohl vorne oder sogar in der Runde gesprochen oder eine Präsentation gehalten wird. Die Finger schreiben im Untakt zum Geschehen – ein untrügliches Zeichen dafür, dass hier nicht Vorlesungsnotizen wie im Auditorium an der Uni gemacht werden, sondern schlichtweg E-Mails und andere Tasks abgearbeitet werden.
Tippgeräusch als Normalfall?
Phasenweise scheint das zum Normalfall geworden zu sein. Ist das nun mal so? Handfeste Studien haben sogar die Unaufmerksamkeit in Verluststunden umgerechnet: Wer nicht aufpasst, muss mehr nachfragen. Oder hat wichtige Aufgaben nicht gehört. Ein Live-Test über mehrere Veranstaltungen zeigte: Bei einer Kurzumfrage über Inhalte von Diskussionsthemen schneiden die Laptopschreibenden massiv schlechter ab, sie erzielen weniger als 50 Prozent des Resultats der anderen. Fakt ist: Multitasking funktioniert auch dann nicht, wenn man im digitalen Zeitalter lebt. Denn das menschliche Gehirn arbeitet noch wie einst. Und man sieht es der tippenden Person praktisch immer an, ob sie an Notizen zum Live-Geschehen schreibt oder gerade mit der Beantwortung von Mails beschäftigt ist.
Der zugeklappte Laptop als Statement
Es mehren sich unterdessen ebenfalls Meldungen von Menschen, die sich daran stören. Darum bin ich persönlich in meinen Rollen als Referent, Trainer oder schlichtweg Kommunikator dazu übergegangen, aufgeklappte Laptops, wenn es inhaltlich oder methodisch nicht zwingend erforderlich ist, aus meinen Veranstaltungen und Meetings zu verbannen. Echte digitale Freaks nehmen sich ohnehin ein Tablet mit digitalem Schreibstift zur Hand – damit bleiben sie am Geschehen, arbeiten psychomotorisch und haben trotzdem alles digital abgespeichert oder in der Cloud hinterlegt.
Ein zugeklappter Laptop oder einer, der in der Tasche bleibt, kann auch ein Statement sein. Ich selbst erlebte eine Tagung eines exklusiven Clubs mit hochkarätigen Teilnehmenden. Es ist dort Ehrensache, sich nicht am offenen Laptop um die E-Mails zu kümmern. Allen in dieser Runde ist klar, dass das sowohl wenig respektvoll ist als auch ein Zeichen von schlechter Organisation.
Bloss nichts verpassen
Und zum Schluss noch dies: Seit einigen Monaten hat eine durchaus nicht kleine Versicherungsgesellschaft schlichtweg ein Verbot für Laptops in Meetings und ähnlichen Veranstaltungen ausgesprochen. Auf der anderen Seite gilt auch und erst recht: Wer ein Meeting oder beispielsweise einen Workshop leitet, soll den Anspruch haben, so gut vorbereitet zu kommen, dass der innere Drang der Teilnehmenden, draussen etwas zu verpassen, möglichst klein ist. Der Qualitätsanspruch als Gegenleistung muss eben ein hoher sein. Aber auch darüber könnte man sich innerhalb eines Settings per Feedback austauschen, sofern man die Laptops geschlossen hat …
Ein paar Tipps zum Abschluss
- Laptops sollen geschlossen bleiben, alles andere schränkt die Aufmerksamkeit zu stark ein (Gründe: Anstand, Multitasking ist nicht möglich, Effizienz bzw. Vermeidung von Verluststunden, Störung durch Geräusch und geistige Abwesenheit).
- Tablets (selbstverständlich auch Papier und so genannte Kladden) sind für eigentliche Meetings- und Kursnotizen sinnvoller.
- Alternativ können „Office-Zeiten“ an Randstunden angeboten werden, damit allfällige, nicht verschiebbare Tasks bearbeitet werden können.
- Auch Referierende sollen sich bewusst sein, dass ein lebendiges Meeting, das gut vorbereitet ist, die Grundlage schafft, um die Aufmerksamkeit aufrecht zu erhalten.