Infolge der Corona-Krise und der Stilllegungsmassnahmen, die von der Regierung im März 2020 eingeführt wurden, arbeiten viele Schweizer noch immer von zu Hause aus. Das Beratungsunternehmen Deloitte Schweiz hat 1’500 Personen im ganzen Land zu den Auswirkungen dieser neuen Arbeitssituation befragt.
Der Trend zum Home-Office hat bereits vor dem Ausbruch der Pandemie eingesetzt, da immer mehr Unternehmen flexible Arbeitsplatzmodelle eingeführt haben. Daten des Bundesamtes für Statistik haben gezeigt, dass die Zahl der Beschäftigten, die mindestens einen halben Tag pro Woche im Home-Office arbeiteten, bereits zwischen 2013 und 2018 von 18 auf 24 Prozent angestiegen ist. Aktuell arbeiten gemäss der Deloitte-Umfrage aufgrund der Corona-Krise etwa 50 Prozent der Beschäftigten von zu Hause aus – noch kurz vor der Corona-Krise habe dieser Wert 25 Prozent betragen. Obwohl viele dieser Personen früher oder später wieder in ihre Büros zurückkehren werden, dürfte der Home-Office-Anteil nicht auf das Vorkrisen-Niveau zurückfallen, erklären die Initiatoren der Studie. Im Gegenteil: 34 Prozent der Befragten haben angegeben, dass sie auch nach der Corona-Krise weiterhin im Home-Office arbeiten werden.
Ein Experiment im grossen Stil
Dieser Anstieg wird viele Unternehmen dazu bewegen, flexiblere Arbeitsmodelle einzuführen oder auszubauen, erklärt die Autorin der Studie Veronica Melian, Partner bei Deloitte Schweiz. Man könne die gegenwärtige Krise auch als Experiment im grossen Stil sehen, denn es zeige sich jetzt, was im Home-Office funktioniere und was nicht. Insgesamt habe dieser beschleunigte Trend zu flexibleren Arbeitsplatzmodellen positive Auswirkungen auf die Gesellschaft, weil die Beschäftigten ortsunabhängiger werden und ihr Zeitmanagement selbst in die Hand nehmen können. Zusätzlich werde die Strassen- und Schieneninfrastruktur einer geringeren Belastung ausgesetzt.
Keine negativen Auswirkungen auf die Produktivität
Ein grosser Vorteil für die Beschäftigten ist zweifelsohne auch die ruhigere Umgebung, denn sie können in den eigenen vier Wänden konzentrierter und damit auch produktiver arbeiten als im Büro. Das hat die Deloitte-Umfrage gezeigt: Über 70 Prozent der Befragten gaben an, zu Hause effizienter oder genauso effizient arbeiten zu können wie im Büro. Nur 25 Prozent sahen ihre Produktivität durch das Home-Office gefährdet.
Herausforderungen für Beschäftigte
Laut der Umfrage haben fast die Hälfte der Befragten die fehlende persönliche Interaktion mit Kollegen und Kunden als einen der grössten Nachteile des Home-Office bezeichnet. 20 Prozent sehen sogar ihr mentales Wohlbefinden gefährdet, denn sie fühlen sich im Home-Office teilweise isoliert. Etwa ein Drittel hat die Ablenkung durch Kinder oder Familienangehörige als eine der grössten Herausforderungen betrachtet. 16 Prozent haben zu Hause keinen eigenen Arbeitsbereich, sodass sie besonders anfällig für Störungen und Ablenkungen sind.
Arbeiten bei gleichzeitiger Kinderbetreuung
Diese Ergebnisse müssen jedoch im Kontext der gegenwärtigen Pandemie interpretiert werden, erklärt die Autorin der Studie. Viele Menschen befänden sich in einer Extremsituation, in der sie Arbeitsraum improvisieren und gleichzeitig Kinder betreuen müssen. Die Umfrage hat deutlich gezeigt, dass Befragte, die ihre Kinder betreuen müssen und dadurch abgelenkt werden, tendenziell viel weniger produktiv sind im Home-Office. Die von den Beschäftigten wahrgenommene Produktivitätssteigerung dürfte deshalb nach der Öffnung der Schulen noch deutlicher ausfallen.
Was Unternehmen berücksichtigen sollten
Unternehmen, die bereits Home-Office eingesetzt und ihre Mitarbeiter mit den dazu notwendigen virtuellen Ressourcen und Technologien ausgerüstet haben, sind klar im Vorteil, da sie rasch und flexibel auf neue Situationen reagieren können, heisst es in der Studie.
Technologie ist jedoch nicht der einzige Aspekt, den es beim Home-Office zu berücksichtigen gilt. Genauso wichtig sind die menschlichen Aspekte. Dazu gehören Koordination, Zusammenarbeit und Teamführung – Unternehmen und ihre Mitarbeiter müssen beispielsweise Mittel und Wege finden, wie Teammeetings produktiv durchgeführt und wie effiziente Teamarbeiten gewährleistet werden können.
Abschliessend verdeutlicht Veronica Melian, dass auch die Führungskräfte gefordert sind. Sie müssen sicherstellen, dass ihre Teams im Home-Office den Sinn ihrer Arbeit sowohl auf individueller Ebene als auch auf Teamebene verstehen. Selbst in disruptiven Zeiten sollten sich Vorgesetzte deshalb regelmässig mit ihren Teams austauschen, um zu erkennen, dass es unterschiedliche Bedürfnisse gibt und jedes Teammitglied anders ist.