„Hannes managt“ ist eine Geschichtenserie mit feinsinniger Satire aus den und über die Managementetagen. Im fünften Teil beschreibt Stefan Häseli, wie Workshops die verborgenen Talente der Mitarbeiter wecken sollen.
Die neuen Benchmark-Zahlen des anspruchsvollen B2B-Markts, in dem Hannes’ Unternehmen tätig ist, sind veröffentlicht. Die Zahlen werden vom CEO in der Wichtigkeit nur eine Haaresbreite hinter dem Gewinn eingeordnet. „Wir werden im kommenden Jahr den Benchmark anführen“, ist längst zum Mantra geworden – seit fünf Jahren schon.
Jahr für Jahr setzt man sich nach der Bekanntgabe der Zahlen zusammen, klopft zuversichtlich-flotte Sprüche, macht die noch schöneren Powerpoints für die Mitarbeiterpräsentation und hängt noch edlere Papierplakate in die Flure mit dem Ziel „We are the Benchmark ONE“.
Neue Zahlen – neue Massnahmen
Die neusten Zahlen sind vergangene Woche auf der Geschäftsleitungssitzung vorgestellt worden. Die Anzahl der Sorgenfalten des CEOs nahmen linear zur Lautstärke und Vehemenz seines als Credo vorgetragenen Ausbruchs zu, dass oben nur Platz für uns ist. Denn statt endlich in die vordere Hälfte vorzustossen, bleibt man nun ein weiteres Mal wieder unter dem Strich. Das Ziel, die Eins zu werden, läuft Gefahr zu entschwinden. Also gibt’s jetzt eine Sofortmassnahme: Alle Mitarbeiter müssen in den Workshop „ONE4Benchmark“. Hannes ist als Produktionsleiter bereits im ersten dabei.
Workshop mit einer Koryphäe
Hannes nimmt im Plenum Platz. Das Halbrund ohne Tische soll nicht nur die neue Diskussionskultur fördern, sondern auch symbolisch erlebbar machen, dass man sich komplett um die Anliegen des Kunden kümmert und der Kunde den Service als abgerundet erlebt. Round-about-the-client präzisiert dies der eigens dafür eingeflogene Coach. Zwar hat vom Coach zuvor noch niemand etwas gehört, er sei aber eine Koryphäe, meint der Chef. „Nun, man kann ja nicht alles wissen, es wird schon stimmen,“ denkt sich Hannes. Der Coach holt zur Eröffnungsansprache aus: „Wir sind heute eine Real-Community, die sich um den Benchmark im Business-to-Business-Market kümmert. Ja, es geht ums Grobe, ans Eingemachte, und wir sollten die Komfortzone verlassen.“
Die Gruppe wird zur Vorstellungsrunde eingeladen. Die Teilnehmer kennen sich zwar. Für den Coach bedeutet das aber immerhin, sich 30 Minuten weniger vorzubereiten und für die Teilnehmenden 30 Minuten weniger zu arbeiten. Der Coach fordert alle auf, dieses Check-in im Stil von „Who, why and where“ zu betrachten, die Stichworte auf eine Karte zu schreiben und diese dann an der Pinnwand aufzuhängen. Man soll dabei auch ein klares Commitment zu einem Ziel abgeben. Kurze Individual-Time zum Vorbereiten, dann folgt ein Pitch jedes Teilnehmers. Abgeschlossen wird jedes Mal mit den Worten „Check-in – ready to go“.
Auf zu neuen Workshop-Welten
Hannes ist diese Welt zwar etwas fremd, aber wenn’s gut für die Kundenzufriedenheit ist, soll es auch gut für die Laune des Chefs sein. Und das macht dann alles andere auch angenehmer. Im Workshop geht es weiter. Mit einem Input lanciert der braungebrannte Coach vom Typ „Triathlet-und-braucht-nur-4-Stunden-Schlaf“ eine erste sogenannte Smart-learn-Round. „So, jetzt scannt die Gruppen-Members und sucht einen Partner zum Exchange-of-Experience. Bitte bereitet in einem Time-Boxing einen weiteren Elevator-Pitch vor, wo ihr das Mind-Setting für die anschliessende Feedback-Runde elaboriert.“
Hannes hängt mit seinen Gruppenkollegen etwas im luftleeren Raum. Das alles ist ihm doch etwas gar viel der warmen Luft, aber sie schreiben in ihrem Gruppenzimmer drei Pinnwand-Karten: „love-it, change-it, leave-it“. Hannes meint, das hätte er vor 20 Jahren schon mal gehört und das könnte doch immer noch passen. Die Gruppenkollegen sind einverstanden. Der Coach würdigt die Präsentation mit dem Ausruf: „Wow – greatest – ihr seid echte Champs. Das sind die wahren Keywords für einen Amazing-Folk im Client-Prototype-Space. Ja, good enough, life is a pitch, da bin ich glatt on fire.”
Sprachverständigung ist ein Muss
So verläuft der Tag animiert und nach der Eingewöhnung vertraut. Irgendwann erschien dann auch die längst bekannte Folie mit der Hummel, deren Flügel zu gross sind, um fliegen zu können. Aber weil sie es nicht weiss, fliegt sie trotzdem. Schliesslich leitet der Coach die Schlussrunde ein. Jeder soll einen letzten Pitch mit den Transfer-Fields performen und sein Statement mit den Worten „Check-out“ abschliessen. Nach zwölf „Check-outs“ erklärt der Coach, dass sie eine super-crazy-tolle Gruppe waren. Anschliessend geht Hannes zurück ins Büro. Bevor er seine Mails checkt, bucht er noch rasch einen Englischkurs in der Volkshochschule an seinem Wohnort – sonst wird das nie etwas mit der Kundenzufriedenheit.
Stefan Häseli, Kommunikationsexperte, Speaker, Coach und Autor. |