„Hannes managt“ ist eine Geschichtenserie mit feinsinniger Satire aus den und über die Managementetagen. Im sechsten Teil zeigt Stefan Häseli, wie man mit einfachen Mitteln das Image des Unternehmens aufpoliert.
Die Zahlen des vergangenen Jahres sprechen eine deutliche Sprache. Das Unternehmen, in dem Hannes die Produktionsleitung seit einigen Jahren innehat, ist wieder einmal mitten im finanziellen Gewitter. Die Zeiten, in denen Gewinnwarnung lediglich meinte, dass es eventuell im nächsten Jahr eine nicht ganz so eine grosse Steigerung des Gewinns geben könnte, sind vorbei. Gewinnwarnung erhält endlich die Bedeutung, die es hat. Vielleicht müsste man das Wort auch auf Verlustwarnung umtaufen.
Der einstige Fehlentscheid
Schliesslich zeichnet sich ab, was Hannes vermutet hat. Die von der Geschäftsleitung initiierte organisatorische Übung, die Lagerhaltung auf zwei Länder aufzuteilen, hat sich nicht bewährt. Der Logistikaufwand war zu gross. Darum hat man beschlossen, gleich eines der Auslieferungslager zu schliessen.
Vielleicht war der Zeitpunkt nicht ganz ideal. Genau in dem Monat, in dem der grösste Auslieferungsdruck herrschte, wurde umdisponiert. Der daraus entstehende Rückstand von mehreren tausend Aufträgen erbrachte fast ebenso viele Kundenstornierungen. Hannes hätte es gewusst, war aber unterlegen in der Schlussabstimmung. Man meinte, dass er, unterdessen der Älteste im Gremium, keinen Mut mehr zu Veränderungen hätte. Als Dank darf er jetzt zu Händen des Kommunikationsverantwortlichen die Pressemitteilung verfassen. Man meinte, dass es in Hannes’ Abteilung haperte. Von daher sei er ja prädestiniert, hier etwas Aussagekräftiges zu formulieren.
Die Marktführerposition kreieren
Hannes hat die Vorgabe, dass die Pressemitteilung als ein Zeichen der Stärke gesehen werden solle, schliesslich sei sein Unternehmen ja Marktführer. Hannes stolpert bereits über das Wort Marktführer. Wo, wann, Marktführer? Das Unternehmen ist weder das grösste, noch hat es den grössten Umsatz, als Verlustführer will man ja nicht gelten. Die höchste Kundenzufriedenheit hat man auch nicht. Aber wie kriegt man Marktführer trotzdem hin?
Hannes studiert, wie eigentlich „Entrepreneur des Jahres“-Pokale vergeben werden. Da leuchtet ihm ein Licht auf. Ist ja nicht schwer, man biegt sich Kategorien so lange hin, bis es nur noch einen übrig hat. So wird schlussendlich jeder „Entrepreneur des Jahres“. Klar!
Entrepreneur des Jahres werden
Wer in der Kategorie „Unternehmer, die über 20 Jahre, aber nicht mehr als 22 Jahre im Markt sind, kein Studium haben, Linkshänder sind, zwei Mal durch die Führerscheinprüfung gefallen sind, nie eine Stunde Marketing studiert haben und trotzdem von etwas leben können“ übrig bleibt, gewinnt!
Also überlegt sich Hannes, wo sein Unternehmen Marktführer ist. Es stellt neben vielem anderen ja auch Werkzeugteile für die Montage von Löffel-Einwurf-Motoren in öffentlichen Kaffeeautomaten her. Da gibt’s schon mal nicht viele, da ist man bereits fokussiert. Tiefe statt Breite ist ja so oder so das Marketing-Credo der Stunde.
Klarer Marktführer im Segment
Von diesen Herstellern für Werkzeugteile für die Montage von Löffel-Einwurf-Motoren in öffentlichen Kaffeeautomaten gibt es wiederum noch weniger Unternehmen, die es bereits über fünf Jahre gibt und die in dieser Zeit höchstens vier Mal den Chef ausgewechselt haben. Dazu Lagerhaltungen in zwei Ländern und gleichzeitig alle Charaktertypen von Mitarbeitern nach dem DISG-Profil haben. Und von diesen wiederum sind sie die Einzigen, die trotz Verlust noch alle die eigene Kaffeetasse am Arbeitsplatz haben können.
Ja! Hannes fasst zusammen und taktet auf der Tastatur: „Wir sind in einem schwierigen Markt. Trotz allem haben wir es zum Marktführer gebracht. Denn wir sind klar und unangefochten die Nummer eins im Markt für Werkzeughersteller für die Montage von Löffel-Einwurf-Motoren in öffentlichen Kaffeeautomaten, die es bereits über fünf Jahre gibt und die dabei höchstens vier Mal den Chef ausgewechselt haben und Lagerhaltungen in zwei Ländern sowie Charakter-Typen von Mitarbeitern nach dem DISG-Profil haben, die allesamt alle die eigene Kaffeetasse am Arbeitsplatz benutzen.“
„Wow“ ist Hannes stolz und erleichtert. Zur Not, wenn es noch einen zweiten Anbieter dieser Art gäbe, würde er sich noch kurzerhand zum Linkshänder erklären. Denn der andere hat sicherlich keinen Produktionschef, der Pressemitteilungen „mit links“ schreibt …
Stefan Häseli, Kommunikationsexperte, Speaker, Coach und Autor. |