„Hannes managt“ ist eine Geschichtenserie mit feinsinniger Satire aus den und über die Managementetagen. Im ersten Teil der Reihe beschreibt Autor Stefan Häseli, wie Schutzmassnahmen während der Corona-Pandemie im Büro innovativ daherkommen wollen.
In Hannes Unternehmen versucht man, einen so genannten Nach-Covid-Normalzustand wiederherzustellen. Die Menschen tauchen wieder aus monatelanger Homeoffice-Zeit auf und sind an den Arbeitsplätzen in den verwaisten Büroräumlichkeiten zurück. Man sieht, dass von den Männern jetzt einige Bartträger sind, wer an körperlicher Masse in Ermangelung des Gehwegs zum Büro zugenommen hat und wer den saloppen Camper-Look aus den Heimarbeitsmonaten auch weiter durchzieht, weil er meint, dass das verbleichte, vier Tage getragene Flanellhemd und Schlabberfinken ja eigentlich der Produktionseffizienz gar nicht abträglich waren – folglich könne dieser Stil auch in den Bürogebäuden angewandt werden.
Da spürt man zudem, wo sich neue, geheime Seilschaften gebildet haben. Irgendwie wird jetzt offensichtlich, wer sich jenseits von Weisungen halt trotzdem hie und da im Büro getroffen hat und dafür gesorgt hat, dass im Splitting-Office während der letzten Übergangsphase sich „rein zufällig“ immer die gleichen Leute trafen. Zeugen davon sind die herumliegenden Menükarten des Pizzaservices.
Neuanfang nach der Krise
Nun, diese Zeit ist vorbei. Jetzt geht es darum, die Neuzeit zu beschreiben. Hannes ist beauftragt, hier ein weiteres Konzept zum ursprünglich rein sachlich ausgerichteten Massnahmenkatalog auszuarbeiten. Das Konzept soll beschreiben, mit welchen Schritten zu den bereits vorhandenen Sicherheits- und Hygienemassnahmen dem potenziellen Viruseintritt begegnet werden soll. Dazu sind auch die Zielsetzungen nicht zu verachten, dass es bei solchen Konzepten darum geht, zu zeigen, dass man hochprofessionell vorgeht und kein Detail auslässt. Ja, wer ins Unternehmen kommt, soll spüren, dass tagelange Denkarbeit hinter jeder einzelnen Massnahme steht. „Covid-Schutzmassnahmen sind auch Marketing-Massahmen“, fliegt es Hannes durch den Kopf, als er beginnt, an den Details zu feilen.
Der Abstand ist entscheidend
Schützen ist ja gut und recht, aber als Macher dastehen ist noch besser! Unter dieser Prämisse geht es in die Details. Akribisch werden überall, wo es möglich ist, sogenannte 1,5-Meter-Marken sichtbar gemacht. 1,5 Meter ist für die sich begegnenden Menschen das, was für einen Fussballer die berühmten elf Meter sind. Es ist der Abstand, der zum alles entscheidenden Massstab für „wir gewinnen“ avanciert. So ist klar, dass Stühle in Sitzungszimmern und Betriebskantinen danach ausgerichtet werden. Die 1,5 Meter werden sichtbar am Boden signalisiert. Unaufdringliche Penetranz ist der Glaubenssatz. Man soll sehen, dass man sich Mühe gegeben und exakt ausgemessen hat. Auch der Flatscreen-Bildschirm im Empfangsbereich, der just 1,5 Meter breit ist, wird beschrieben: „Wir senden mit 1,5-Meter Breite“.
In Meetingräumen, in denen externe Referenten auftreten, werden Bewegungsräume markiert. Heisst im Klartext: Ein interner Referent darf sich frei bewegen, muss einfach die 1,5 Meter Abstand einhalten. Ein Externer ist ja ein potenzieller Virenträger. Da muss man schon vorsichtig sein. So hat Hannes schön designte Bodenkleber mit Logos beschafft, die Felder markieren, wo sich Berater der Consulting-Firma oder Vertreter eines Lieferanten aufhalten dürfen. So hat man es ja auf jeden Fall besser im Griff, und da darf es auch etwas mehr als 1,5 Meter Abstand sein.
Visionäre Massnahmen
Als absolute Tech-Innovation sind die Raucher verpflichtet, eine App auf ihr Smartphone herunterzuladen. Dieses nimmt per Bluetooth sofort Kontakt auf, wenn man sich in die Raucherecke im Hinterhof begibt. Selbstverständlich werden keinerlei Daten gespeichert, hat sich Hannes vom programmierenden Russen in der IT-Abteilung versichern lassen. Es geht um Folgendes: Wer nach dem Raucherakt das Betriebsgebäude wieder betritt, wird unmittelbar über die App aufgefordert, in sein Smartphone zu husten. Die App erkennt, ob das ein klassischer Raucherhusten ist oder ob bereits ein Covid-Alarm im ganzen Konzern ausgerufen werden soll.
Leicht verbesserungswürdig
Hannes ist sichtlich stolz, als Ideengeber dieser visionären Massnahme zu gelten. Dass mit der Umsetzung noch nicht alles klappt und auch mal ein etwas laut vorgetragenes „Guten Morgen liebe Kollegen“ als „Lautes-Husten-aber-nicht-Raucherhusten“ im Schnitt zwischen fünf und sechs Fehlalarme pro Tag auslöst, sind Kinderkrankheiten, die ja jeder digitalen Neuerung während den ersten Monaten zugestanden werden muss.
Was aber entscheidend ist: Medien berichten, Fachzeitschriften analysieren und interviewen Hannes. Das gibt Klicks bei den Medien und Aufmerksamkeit für Hannes’ Unternehmen. Ja, Marketing ist nicht alles, aber ohne Marketing ist alles nichts. Auch Covid ist, so ist Hannes überzeugt, eine Chance, sich über Innovation am Markt zu positionieren. Wenn man es auch mit dem eigentlichen Produkt nicht mehr schafft, so doch über fremde Ideen – schliesslich war auch Alexander Graham Bell eigentlich Gehörlosenlehrer und ausgerechnet er hat schlussendlich das Telefon erfunden …
Stefan Häseli, Kommunikationsexperte, Speaker, Coach und Autor. |