„Hannes managt“. Eine Business-Satire #3/7

„Han­nes managt“ ist eine Geschich­ten­se­rie mit fein­sin­ni­ger Sati­re aus den und über die Manage­ment­eta­gen. Im drit­ten Teil der Rei­he zeigt Autor Ste­fan Häse­li augen­zwin­kernd, wie ein neu­er Cla­im und ein neu­es Logo für fri­schen Wind in der Fir­men­hi­sto­rie sor­gen können.

Die Kreativität der Marketingagenturen kennt keine Grenzen. Abbildung: Fab Lentz, Unsplash
Die Krea­ti­vi­tät der Mar­ke­ting­agen­tu­ren kennt kei­ne Gren­zen. Abbil­dung: Fab Lentz, Unsplash

Han­nes hat zwar als Pro­duk­ti­ons­lei­ter, wie alle sei­ne Kol­le­gen in der Geschäfts­lei­tung, genug und viel zu tun. Das hin­dert aber den CEO nicht, das Sab­ba­ti­cal der Mar­ke­ting­lei­te­rin nicht nur zu bewil­li­gen – das ist ja noch ok –, son­dern deren Auf­ga­ben ein­fach auf die ande­ren Kol­le­gen aus der Unter­neh­mens­lei­tung zu verteilen.

Hannes muss ins Marketing

Der CEO will nicht, dass unmit­tel­bar Unter­stell­te der Mar­ke­ting­lei­tung jetzt plötz­lich Ver­ant­wor­tung über­neh­men. „Dafür sind sie noch nicht reif genug“, meint er, bevor er dann im näch­sten Atem­zug wie­der von Agi­li­tät und fla­chen Hier­ar­chien schwa­dro­niert. Nun gut, das mag als Schön­heits­feh­ler durch­ge­hen, ent­bin­det aber Han­nes eben nicht von der Tat­sa­che, dass er den Mar­ke­ting­be­reich „Mar­ke­ting-Kom­mu­ni­ka­ti­on“ ad inte­rim über­neh­men soll.

Und just in die­ser Zeit ste­hen weit­rei­chen­de Ent­schei­de an. Man hat gewar­tet, bis die Mar­ke­ting­lei­te­rin wohl end­gül­tig an ihrem Ziel auf der Ant­ark­tis­sa­fa­ri ange­kom­men ist, bis das The­ma „neu­es Logo, neu­er Cla­im“ auf die Sit­zungs­the­men­li­ste vom Chef gesetzt wurde.

Verordnete Verjüngungskur

„Wir müs­sen fri­scher wir­ken, ein­fa­cher, prä­gnan­ter, dyna­mi­scher“, posaunt der CEO in die Run­de und bricht mit der Tra­di­ti­on, dass das Fir­men­lo­go seit 150 Jah­ren ein jeweils unter­schied­lich sti­li­sier­tes Abbild des Fami­li­en­wap­pens des ein­sti­gen Fir­men­grün­ders Bau­mann war. Regel­mäs­sig ange­passt, aber „Baum“ muss­te immer sein. Das ist jetzt vor­bei, ein Baum ist zu sta­tisch und steht für 100-jäh­ri­ge Geschichte.

Der Auftrag ist erteilt

Damit lässt sich kein Staat mehr machen. Han­nes erteilt den Auf­trag an eine Wer­be­agen­tur und ist gespannt, was da für Vor­schlä­ge kom­men. Nach acht Brie­fing-Sit­zun­gen, 68 Mails und einer Vor­schuss­zah­lung von rund 30’000 Euro an die Agen­tur ist heu­te die Prä­sen­ta­ti­on der fina­len Version.

Alle sit­zen gespannt auf ihren Stüh­len im Geschäfts­lei­tungs-Mee­ting­raum. Han­nes hat selbst kei­ne Ahnung, was jetzt kommt. Aber ins­ge­heim hofft er, dass auch die­se Ver­si­on, wie die ver­gan­ge­nen fünf Vor­schlä­ge, vom Chef abge­schmet­tert wer­den. Der Vor­gang soll am besten so lan­ge dau­ern, bis sei­ne Mar­ke­ting­kol­le­gin wie­der im Lan­de ist. Dann wäre er fein raus.

Die Präsentation erhellt die Hintergründe

Jetzt aber ist erst­mal „Show“ ange­sagt. Mit über­gros­sen Hoch­glanz­papp­kar­tons schrei­tet die Wer­be­agen­tur mit einer 5er-Dele­ga­ti­on in den Raum. Alle chic-schwarz mit Roll­kra­gen­pul­li, die Damen mit hohen Absät­zen, die Her­ren mit schwar­zen Hoch­glanz­stie­fe­let­ten und knall­ro­tem, lin­ken Hosen­bein, das Kom­pe­tenz bei gleich­zei­ti­ger Krea­ti­vi­tät signa­li­siert. Die Ent­hül­lung! Der Cla­im und das Logo heis­sen „wir für Sie – da.“ Kein Logo mehr, denn der Cla­im sei Erken­nung genug. Dafür muss der Schrift­satz das rich­ten, was vor­her der Baum tat.

Kon­kret wird jetzt erklärt: „Ganz ent­schei­dend ist der Punkt hin­ter dem Wort da“. Die­ser wird in etwas gedeck­te­rem Alt­ro­sa, das bei Neon­licht etwas grün­lich wir­ken kann, über­pro­por­tio­nal dar­ge­stellt, erklärt der Agen­tur­lei­ter. Der Punkt ist das Wich­tig­ste am neu­en Cla­im, ist so etwas wie das neue Logo. Wir sind da für Sie – Punkt! Kein Ent­rin­nen mehr und der Punkt wan­dert immer mit. Egal wo der Kun­de den Cla­im liest, der Punkt ist immer da und mahnt dazu, dass wir immer genau da sind, wo Sie auch sind.

Auch runde Ecken sagen etwas aus

Han­nes beginnt an sei­ne rea­len Sor­gen zu den­ken. Immer da, wo Sie auch sind? Eigent­lich bräuch­te er mehr Res­sour­cen, um die anste­hen­den Garan­tie­fäl­le end­lich bei den Kun­den zu erle­di­gen. Aber in die­sen Denk­pro­zess säbelt wort­ge­wandt die nord­deut­sche Kol­le­gin aus der Agen­tur und erklärt die For­men­spra­che der Schrift­zei­chen. Die Buch­sta­ben sind nicht ein­fach „Ari­al“ oder „Cali­bri“, nein, es ist eine gra­phi­sche Neu­schöp­fung. Etwas run­der an den Ecken, dafür die Längs­stri­che der gera­den Buch­sta­ben etwas mas­si­ver. Somit wird klar: Wir sind für sta­bi­le Wer­te, aber rich­ten uns lau­fend an den Kun­den­be­dürf­nis­sen aus. Das sagt uns das abge­run­de­te „W“ im Schrift­zug. Die Farb­wahl ist mass­geb­lich gesteu­ert von psy­cho­lo­gi­schen Erfolgs­mo­del­len, denen gera­de beim stil­len Wech­sel von Dun­kel­rot zu Grün auch etwas poli­tisch Zeit­ge­mäs­ses abge­won­nen wer­den kann.

Han­nes ist beein­druckt und fragt in der Fra­ge­run­de noch: „Könn­ten wir den Text zur Erklä­rung die­ses neu­en Claims allen­falls mit einem QR-Code für alle Betrach­ter abruf­bar machen?“ Der Agen­tur­lei­ter jubelt und meint: „Ja, so ein QR-Code könn­te die Park­kar­te der Fir­men­fahr­zeu­ge noch zie­ren“. Für schlaf­fe 40’000 Euro wür­de er das zum Treu-Kun­den-Preis gern noch anbieten …

Ste­fan Häseli,

Kom­mu­ni­ka­ti­ons­exper­te, Spea­k­er, Coach und Autor.

stefan-haeseli.com

 

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