„Hannes managt“ ist eine Geschichtenserie mit feinsinniger Satire aus den und über die Managementetagen. Im dritten Teil der Reihe zeigt Autor Stefan Häseli augenzwinkernd, wie ein neuer Claim und ein neues Logo für frischen Wind in der Firmenhistorie sorgen können.
Hannes hat zwar als Produktionsleiter, wie alle seine Kollegen in der Geschäftsleitung, genug und viel zu tun. Das hindert aber den CEO nicht, das Sabbatical der Marketingleiterin nicht nur zu bewilligen – das ist ja noch ok –, sondern deren Aufgaben einfach auf die anderen Kollegen aus der Unternehmensleitung zu verteilen.
Hannes muss ins Marketing
Der CEO will nicht, dass unmittelbar Unterstellte der Marketingleitung jetzt plötzlich Verantwortung übernehmen. „Dafür sind sie noch nicht reif genug“, meint er, bevor er dann im nächsten Atemzug wieder von Agilität und flachen Hierarchien schwadroniert. Nun gut, das mag als Schönheitsfehler durchgehen, entbindet aber Hannes eben nicht von der Tatsache, dass er den Marketingbereich „Marketing-Kommunikation“ ad interim übernehmen soll.
Und just in dieser Zeit stehen weitreichende Entscheide an. Man hat gewartet, bis die Marketingleiterin wohl endgültig an ihrem Ziel auf der Antarktissafari angekommen ist, bis das Thema „neues Logo, neuer Claim“ auf die Sitzungsthemenliste vom Chef gesetzt wurde.
Verordnete Verjüngungskur
„Wir müssen frischer wirken, einfacher, prägnanter, dynamischer“, posaunt der CEO in die Runde und bricht mit der Tradition, dass das Firmenlogo seit 150 Jahren ein jeweils unterschiedlich stilisiertes Abbild des Familienwappens des einstigen Firmengründers Baumann war. Regelmässig angepasst, aber „Baum“ musste immer sein. Das ist jetzt vorbei, ein Baum ist zu statisch und steht für 100-jährige Geschichte.
Der Auftrag ist erteilt
Damit lässt sich kein Staat mehr machen. Hannes erteilt den Auftrag an eine Werbeagentur und ist gespannt, was da für Vorschläge kommen. Nach acht Briefing-Sitzungen, 68 Mails und einer Vorschusszahlung von rund 30’000 Euro an die Agentur ist heute die Präsentation der finalen Version.
Alle sitzen gespannt auf ihren Stühlen im Geschäftsleitungs-Meetingraum. Hannes hat selbst keine Ahnung, was jetzt kommt. Aber insgeheim hofft er, dass auch diese Version, wie die vergangenen fünf Vorschläge, vom Chef abgeschmettert werden. Der Vorgang soll am besten so lange dauern, bis seine Marketingkollegin wieder im Lande ist. Dann wäre er fein raus.
Die Präsentation erhellt die Hintergründe
Jetzt aber ist erstmal „Show“ angesagt. Mit übergrossen Hochglanzpappkartons schreitet die Werbeagentur mit einer 5er-Delegation in den Raum. Alle chic-schwarz mit Rollkragenpulli, die Damen mit hohen Absätzen, die Herren mit schwarzen Hochglanzstiefeletten und knallrotem, linken Hosenbein, das Kompetenz bei gleichzeitiger Kreativität signalisiert. Die Enthüllung! Der Claim und das Logo heissen „wir für Sie – da.“ Kein Logo mehr, denn der Claim sei Erkennung genug. Dafür muss der Schriftsatz das richten, was vorher der Baum tat.
Konkret wird jetzt erklärt: „Ganz entscheidend ist der Punkt hinter dem Wort da“. Dieser wird in etwas gedeckterem Altrosa, das bei Neonlicht etwas grünlich wirken kann, überproportional dargestellt, erklärt der Agenturleiter. Der Punkt ist das Wichtigste am neuen Claim, ist so etwas wie das neue Logo. Wir sind da für Sie – Punkt! Kein Entrinnen mehr und der Punkt wandert immer mit. Egal wo der Kunde den Claim liest, der Punkt ist immer da und mahnt dazu, dass wir immer genau da sind, wo Sie auch sind.
Auch runde Ecken sagen etwas aus
Hannes beginnt an seine realen Sorgen zu denken. Immer da, wo Sie auch sind? Eigentlich bräuchte er mehr Ressourcen, um die anstehenden Garantiefälle endlich bei den Kunden zu erledigen. Aber in diesen Denkprozess säbelt wortgewandt die norddeutsche Kollegin aus der Agentur und erklärt die Formensprache der Schriftzeichen. Die Buchstaben sind nicht einfach „Arial“ oder „Calibri“, nein, es ist eine graphische Neuschöpfung. Etwas runder an den Ecken, dafür die Längsstriche der geraden Buchstaben etwas massiver. Somit wird klar: Wir sind für stabile Werte, aber richten uns laufend an den Kundenbedürfnissen aus. Das sagt uns das abgerundete „W“ im Schriftzug. Die Farbwahl ist massgeblich gesteuert von psychologischen Erfolgsmodellen, denen gerade beim stillen Wechsel von Dunkelrot zu Grün auch etwas politisch Zeitgemässes abgewonnen werden kann.
Hannes ist beeindruckt und fragt in der Fragerunde noch: „Könnten wir den Text zur Erklärung dieses neuen Claims allenfalls mit einem QR-Code für alle Betrachter abrufbar machen?“ Der Agenturleiter jubelt und meint: „Ja, so ein QR-Code könnte die Parkkarte der Firmenfahrzeuge noch zieren“. Für schlaffe 40’000 Euro würde er das zum Treu-Kunden-Preis gern noch anbieten …
Stefan Häseli, Kommunikationsexperte, Speaker, Coach und Autor. |