Die Corona-Krise ist in der Büroarbeitswelt Gamechanger und Trendbeschleuniger. Alte Regeln verlieren an Bedeutung, neue Arbeitsweisen und -philosophien halten Einzug in die Unternehmen. Der Business-Coach Beat Schori erklärt wichtige New-Work-Trends und zeigt, welche Rolle Führungskräfte bei der Umsetzung dieser neuen Prinzipien spielen.
Bei einer von Statista und swissVR durchgeführten Umfrage unter 457 Schweizer Verwaltungsratsmitgliedern im Sommer 2020 haben 88 Prozent der Befragten angegeben, dass sie als Lehre aus der Corona-Krise die Digitalisierung in ihrem Unternehmen vorantreiben wollen. Weitere 72 Prozent sahen es als ihre Aufgabe, die Widerstandskraft des Unternehmens zu stärken, und 71 Prozent der Entscheider wollten als Lehre aus der Krise ihre Arbeitsmodelle überdenken. Die Corona-Krise hat also viele langfristige Trends bestätigt, verstärkt und beschleunigt. Zu diesem Schluss kommt auch Dr. David Bosshart im Rahmen der Jahrestagung des Gottlieb Duttweiler Institutes (GDI) im März 2021. Gehen wir auf einige dieser Trends ein und transferieren diese in den KMU-Kontext. Wie können die Führungskräfte diese nutzen und welches sind ihre Rollen dabei?
Menschen und Kollaboration
Wir alle haben in der Corona-Krise die Erfahrung des „Social Distancing“ machen müssen. Das Zusammenarbeiten aus der Distanz ist schlagartig die Regel geworden. Technisch haben das viele KMUs gut hingekriegt, herausfordernder ist allerdings der soziale Aspekt. Sehr schnell haben wir festgestellt, dass das persönliche Umfeld der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einen Einfluss auf deren Leistungsfähigkeit hat. Für einige hat eine ausserordentlich starke Veränderung des Arbeitsortes stattgefunden. Führungskräfte mussten sehr schnell lernen, dass nicht alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gleich viel Unterstützung brauchen. Laptops auszuhändigen reichte bei weitem nicht für alle.
Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind das wichtigste Kapital des Unternehmens. Dementsprechend lohnt es sich, in diese zu investieren. Die (gelebten) Unternehmenswerte spielen eine entscheidende Rolle. „Purpose“ und Unternehmenskultur werden wichtiger. Viele erfolgreiche Unternehmen haben einen kollaborativen Prozess aufgesetzt, um eine entsprechende Unternehmensphilosophie zu entwickeln, an der alle beteiligt sind. Die Ausarbeitung (oder Anpassung) der Unternehmensphilosophie kann kollaborativ erfolgen.
Durch die Corona-Krise hat sich das Tempo in der Entwicklung von kollaborativen Möglichkeiten eindeutig erhöht. Zoom, Teams, Miro und andere Tools sind heute eher Regel als Ausnahme. Die Technologie wird in Zukunft einen enormen Einfluss auf die Möglichkeiten der Kollaboration haben. Hier gilt es, offen zu sein und zu experimentieren.
„Infodemie“ und Kommunikation
Die täglich wachsende und oft auch widersprüchliche Informationsflut – nicht nur in Zusammenhang mit der Corona-Krise – lässt sich treffend mit dem Begriff „Infodemie“ umschreiben. Ein grosser Teil der Meinungsbildung findet aktuell über Inhalte aus dem Social-Media-Bereich statt, denn nicht wenige Menschen konsumieren keine traditionellen Medien mehr. Viele sind durch die schiere Menge an Informationen verwirrt und konfus, die Flut an Informationen verunsichert sie. Was die Menschen in dieser Situation brauchen, ist Kommunikation, echte Kommunikation. Kommunikation fliesst in zwei Richtungen, und sie muss offen und ehrlich sein. Dazu gehört auch (aktives) Zuhören.
Unternehmen zu lernenden Organisationen umgestalten
Es wird neue Führungskompetenzen brauchen. Eine davon ist die Auseinandersetzung mit der Zukunft. Die Kompetenz, mit der Dynamik der Umwelt, den volatilen Märkten und den daraus entstehenden Bedingungen und Veränderungen umzugehen, wird an Bedeutung gewinnen. Entscheidend wird sein, die richtigen Schlüsse für das Unternehmen zu ziehen und diese entsprechend umzusetzen. Dabei ist es nachvollziehbar und auch notwendig, die Effizienz im Auge zu behalten. Die Inspiration für die Zukunft wird daraus jedoch kaum entstehen. Mut und Lernkultur werden wichtiger denn je: experimentieren geht über planen.
Führungskräfte als „virtuelle Leader“ werden lernen, dass Führung auch eine Dienstleistung ist, die verschiedene Rollen beinhaltet: zum Beispiel Moderator, Animator, Wegbereiter, Mentor, Verbinder, Dienstleister, Coach, Berater, Netzwerker, Türöffner.
Agilität und Business-Performance
Das Thema Agilität hat uns schon vor der Krise beschäftigt. Es gibt einen Grund für den Leitgedanken „agiler werden“: die Business-Performance. Agil sein ist kein Zustand, wir sprechen dabei von einem dauerhaften Prozess. Unternehmen müssen noch stärker den Kunden in den Mittelpunkt stellen. Das ist der ursprüngliche Grund für Unternehmen, „agiler“ zu werden. Agile Methoden werden uns dabei helfen, dieses Ziel zu erreichen. Entscheidend jedoch sind das „Mindset“ und die Haltung. Um agiler zu werden und somit rasch (beweglich) Chancen zu erkennen und auf Veränderungen reagieren zu können, sind klare Prinzipien und Regeln unabdingbar.
Konkrete Empfehlungen für Führungskräfte
- Das soziale Element nicht unterschätzen: Räume, Plattformen, Zeiten schaffen.
- Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind Ihr Kapital. Unternehmenswerte darauf ausrichten. Lernkultur schaffen. Transparenz als Basis für Vertrauen.
- Kommunizieren Sie mit Ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen. Ermöglichen Sie Kommunikation.
- Peer-Austausch fördern. Plattformen schaffen.
- Experimentieren Sie. Beginnen Sie kleine Experimente. Lernen Sie unterwegs.
- Schauen Sie öfters, intensiv und offen über den berühmten Gartenzaun.
- Vernetzen Sie sich. Vor allem mit Exponenten anderer Branchen.
- Holen Sie andere Perspektiven ins Unternehmen. Tauschen Sie sich mit Externen aus.
Beat Schori, Business-Coach, Berater, Dozent. |