Wie sich die Arbeitswelt entwickeln wird, lässt sich nicht präzise vorhersagen. Aber es gibt Methoden, um am Puls der Zeit zu sein und kommende Trends bereits heute abzubilden. Der Schweizer Organisationsberater Martin A. Fuchs beschreibt, wie sich aus Vergangenem das Zukünftige ableiten lässt.
Als Fuchs tu’ ich mich naturbedingt schwer mit den „alten Hasen“. Aber genau da gehöre ich hin: zu den alten Hasen der Gestalter von Büroarbeitswelten. Als solcher ist man zwangsläufig mindestens als Beobachter, mehr aber noch als ständig Lernender involviert gewesen in all die Entwicklungen von Möbeln und Mobiliarsystemen. Wurde mitgetragen und hin und wieder auch mal mitgeschwemmt von all diesen technischen Entwicklungen und Errungenschaften, die uns in den letzten vier Dekaden in rasanter Geschwindigkeit den Büroalltag erleichtert – ja, auch erleichtert – haben. Als exponentiell könnte man den bürotechnologischen Fortschritt der letzten drei bis vier Jahrzehnte bezeichnen, doch exponentiell ist derzeit kein besonders wertfreier Begriff.
In die Vergangenheit schauen hilft, …
In all diesen Jahren hat eine gewisse Überforderung sehr häufig unseren Arbeitsalltag, ich will nicht sagen geprägt, aber doch mindestens begleitet. Büroarbeitsweltgestaltung, das war nie eine einfache oder vereinfachende, möglichst geschickt getroffene Aneinanderreihung von Arbeitsplätzen aus einem vorgegebenen Herstellersortiment in einem vorgegebenen Raum. Einfach erschien uns das nur damals, in jener Prä-AutoCAD-Zeit oder Prä-pCon.planner-Zeit, als fortschrittliche Hersteller uns Zeichenschablonen oder magnetisch haftende Möbelsymbole zu Planungszwecken zur Verfügung stellten.
Und dann kamen AutoCAD und pCon. Mit ihren wunderbaren Planungswerkzeugen kam eine ganz neuartige Herausforderung in unseren Berufsalltag: Die Zahl der scheinbar Planungsbefähigten vermehrte sich rasant. Stetig schleichend wurde Büroarbeitsweltgestaltung zum rein technisch-reproduzierenden Planungsprozess mit teilweise geradezu tayloristischen Ausprägungen: leidlich getragen von Stundenansätzen, welche die Bezeichnung Honorar nicht mehr verdienten.
… um die Gegenwart zu bewerten und…
Dabei ist Büroarbeitsweltgestaltung eine viele Disziplinen umspannende, auf breit abgestützter Expertise beruhende generalistische und herausfordernde Moderationsarbeit, deren einzelne Aufgaben am allerbesten im interdisziplinär und interorganisational zusammengesetzten Team bewältigt werden können. In hohem Masse kreative Aufgaben wechseln sich ab mit teil- und zeitweise sehr trockener Knochenarbeit. Und stets – ich bin versucht zu sagen, ausschliesslich – steht der Mensch im Mittelpunkt. Beispielsweise als handelnder Betreiber oder als betroffener Nutzer oder als moderierender und motivierender Führungsverantwortlicher oder als jener, der am Schluss die Rechnung bezahlt.
Zwischendrin – inmitten aller Ansprüche eines Unternehmens, eingebettet (um nicht zu sagen, eingezwängt) in gesetzliche Regularien als zwingend wahrnehmbare Empfehlungen, die Antennen immer auch in Richtung forschende Institutionen und deren Publikationen ausgerichtet und dauernd auch ein bisschen hofiert von Herstellern unterschiedlichster Innovationskraft – steht jener, dessen ungeschützte Berufsbezeichnung „Gestalter von Büroarbeitswelten“ lauten mag, und versucht, seinen eigenen Herausforderungen so zeitnah wie möglich Herr zu werden. Zu den grössten Herausforderungen gehört es vielleicht, schlüssige Begrifflichkeiten in den eigenen Fachjargon einzuordnen und demgegenüber begriffliche Hypes und Modeströmungen aussortieren zu können.
… um die Zukunft einschätzen zu können.
Wer sich Vorstellungen über die Zukunft der Büroarbeitsweltgestaltung machen will, der muss zunächst deren Vergangenheit kennen und verstehen, wenigstens ein bisschen. Stimmt das noch? Hand aufs Herz, erinnern Sie sich noch daran, wie es vor Corona war in Ihrem Büro? War es ein Grossraumbüro, etwas zu laut und mit stickiger Luft, die Beleuchtung ging so? Aber halt doch irgendwie gemütlich? Und da möchten Sie jetzt wieder hin, so schnell wie’s geht? Nein, nur ab und zu mal. Die Leute wieder treffen, Kaffee trinken und reden – auch über die Arbeit natürlich. Daraus lässt sich für die Zukunft dieser Merksatz formulieren: Die Mitarbeitenden kommen künftig nicht mehr ins Unternehmen, um dort an einem Rückzugsarbeitsplatz zu sitzen, sondern um soziale Kontakte zu pflegen, Arbeiten im Team zu erledigen und um sich mit anderen abzustimmen.
Worum es in Zukunft geht
Unternehmen, welche ihren Mitarbeitenden unterschiedliche örtliche und zeitliche Arbeitsmodelle ermöglichen, können ihre eigene Attraktivität deutlich erhöhen. Die Frage, wie intensiv die Büroflächen im Unternehmen (Business-Office) genutzt werden, orientiert sich mehr denn je daran, wie vielfältig und attraktiv diese gestaltet sind, wie einfach und flexibel deren Nutzung ist, wie zuverlässig und einfach bedienbar die allgegenwärtige Technik in guter Qualität nutzbar ist und – vor allem – wie die Mitarbeitenden ihr Bedürfnis nach sozialen Kontakten befriedigen können. Arbeitsplätze in städtischen Gebieten gewinnen zweifellos noch zusätzlich an Attraktivität, wenn Services des täglichen Bedarfs (etwa Wäscheservice) bzw. Dienstleistungen des modernen Lebens (etwa Fitnesscenter) angeboten werden können.
Die Entwicklungen in der Arbeitsweltgestaltung bleiben spannend und herausfordernd. Eine zentrale Rolle wird – wie in der Vergangenheit – die Informations- und Kommunikationstechnik wahrnehmen. Der Berater wird sich weiterhin mit der Frage quälen: Habe ich dieses Unternehmen fundiert beraten, und habe ich ihm jene Wege und Möglichkeiten aufgezeigt, welche der Seele des Unternehmens am ehesten entsprechen? Nur darum geht es!
Der Beitrag ist zuerst im Sammelband „OFFICE PIONEERS: Ausblicke auf das Büro 2030, Band 2“ erschienen.
Marcel A. Fuchs, Organisationsberater, Arbeitsplatzplaner, Total Office Performance AG. |