Die Corona-Pandemie hat dem Spannungsfeld von Firmenbüro und Homeoffice-Arbeitsplatz auf beiden Seiten zahlreiche positive wie negative Argumente beschert. Der Leiter der New-Work-Akademie bei Witzig The Office Company, Danny Schweingruber, beleuchtet die Vor- und Nachteile der beiden Arbeitsorte.
Die digitale Transformation und der gesellschaftliche Wandel verändern die Art und Weise der Aufgabenerledigung nachhaltig. Corona wirkt wie ein Brennglas, das Versäumnisse von Unternehmen radikal offenbart, und gleichzeitig als Beschleuniger für vollkommen neue Arbeitsmodelle. Heute ist digitales Arbeiten für die Mehrheit der Wissensarbeitenden ohne Weiteres möglich, denn Inhalte und ihre Trägermedien sind zu jeder Zeit und an jedem Ort verfügbar.
Der Ruf nach der Rückkehr zur Normalität scheint vielen Mitarbeitenden und Unternehmen in diesem Zusammenhang suspekt. Sie stellen sich aktuell eher die Frage, wie viel Sinn es macht, nach Corona einfach wieder in den alten Modus Operandi zurückzukehren. Eine sehr berechtigte Haltung, denn was hätten wir dabei aus allem gelernt? Wie aber könnte Tomorrow’s next Normal aussehen?
Die zwei Perspektiven der Mitarbeitenden
Zahlreiche Studien zeigen, dass die Mitarbeitenden zurück ins Corporate-Office und nicht nur im Homeoffice arbeiten wollen. Die Mehrheit wünscht sich, drei bis vier Tage im Corporate-Office zu sein. Dabei geht es neben professionelleren Rahmenbedingungen zur Aufgabenerfüllung vor allem um den persönlichen Austausch mit Kollegen und Vorgesetzten.
Geschätzt wird am örtlich und zeitlich flexiblen Arbeiten die Möglichkeit der Selbstbestimmung: selbst entscheiden zu können, wie man sich den Tag einteilt, zum Beispiel hinsichtlich der Vereinbarkeit des Berufs mit anderen Lebensbereichen (Sport, Familie, Einkaufen etc.). Positiv wahrgenommen wird auch der Wegfall des Arbeitsweges. In der Schweiz pendeln täglich rund 3,6 Millionen Menschen zur Arbeit, wobei die durchschnittliche Pendelzeit pro Wegstrecke 30 Minuten beträgt. Ein weiterer grosser Vorteil wird darin gesehen, dass man zu Hause fokussierter und konzentrierter arbeiten könne.
Grundlegende Gedanken zum Homeoffice
Mitarbeitende, die ihr Home zum Office machen und nicht in einem Single-Haushalt leben, sollten sich darüber Gedanken machen, was ihre Dauerpräsenz für diejenigen bedeutet, mit denen sie die Räume teilen. Wichtig ist, sich zu fragen: „Wie viel Ungestörtheit brauche ich?“, „In welchem Raum kann ich am besten meine Aufgaben erledigen?“ und „Wann arbeite ich – und steht dann der ‚Wunsch-Arbeitsplatz‘ zu meiner Verfügung?“ Absprachen mit den Mitbewohnern helfen dabei, die gegenseitigen Erwartungen zu synchronisieren und Konflikten vorzubeugen. Für die Homeoffice-Arbeit ist es auch wichtig, dass man seinem Alltag eine Struktur gibt.
Die Aufgaben, die man erledigen will, sollte man gut planen – ebenso wie Arbeitszeit, Pausen und Freizeit. Zusätzlich sollten sich Home Worker auch die Frage stellen, welche Tätigkeiten im Alltag sie unter Druck setzen und Stress bei ihnen auslösen. Hier hilft es oft, die eigenen Kompetenzen zu erweitern.
Die Perspektive der Unternehmen
Die Führung vieler Unternehmen beschäftigt sich aktuell mit der Frage: „Welchen Mehrwert bietet das Büro aktuell und perspektivisch in unserer Wertschöpfungskette, und stimmt das Kosten-Nutzen-Verhältnis noch?“ Ein Blick zurück in die Anfänge des „Büro-Zeitalters“ zeigt, warum sich Unternehmen Büros eingerichtet haben. Sie wurden an Orten eröffnet, wo Zölle, Gebühren und Steuern erhoben wurden. Dort, wo verwaltet, geschrieben und archiviert wurde.
Mit der Verbreitung der Elektrizität und der Telefonie gewann das Büro für Administrierende stark an Bedeutung. Anfang des 20. Jahrhunderts hielten Schreibmaschinen und Rechenmaschinen Einzug, später Faxgeräte sowie Computer und ab den 1980er-Jahren kamen Firmen-Netzwerke dazu. Der Anschluss an das World Wide Web stand am Ende des 20. Jahrhundert in den Unternehmen zur Verfügung. Mit Kollaborationsplattformen wie Teams, Zoom oder Skype ist das Arbeiten von jedem Punkt der Erde aus möglich. Damit darf man sich die Frage stellen, ob das Büro als Ort der Aufgabenerfüllung und Technologie an Wichtigkeit verliert. Ja, das ist teilweise sicher so. Aber: Das Büro bleibt weiterhin bedeutungsvoll.
Die neue Funktion des Corporate-Office
Das Corporate-Office wandelt sich vom reinen Arbeitsort zum Ort der Begegnungen. Wenn es darum geht, Neues zu entwickeln, Lösungen, Produkte oder Services im Team auszuarbeiten, wirkt die gemeinsame Anwesenheit im Büro belebend und beschleunigend. Physische Zusammenarbeit ist direkter, schneller, impulsiver – macht „more fun“. Studien zeigen, dass nicht nur die Zeit der aktiven, fokussierten Zusammenarbeit wirksam ist. Auch die Zeit während den gemeinsamen Pausen, der informelle Teil der Zusammenarbeit, hat einen starken Einfluss auf das Resultat.
Der informelle Austausch ist ein wichtiges Element der internen Kommunikation und gleichzeitig „Schmiermittel“ der Beziehungen zwischen den Mitarbeitenden und dem Unternehmen. Informelle Gespräche und ungeplante Begegnungen finden online kaum statt. Die Folgen davon sind Verzögerungen im Informationsfluss, Abstimmungsprobleme und ungenutzte Synergien. Die Innovationskraft des Unternehmens wird gestärkt, wenn die Zusammenarbeit abteilungs- und bereichsübergreifend gut funktioniert.
Eine grosse Chance für Unternehmen
Corona bietet Unternehmen im aktuellen Wandel, wenngleich unfreiwillig, grosse Chancen. Gemeinsam mit den Mitarbeitenden können sie aus dem Covid-bedingten „Arbeitsregime“ Erfahrungen analysieren, Massnahmen ableiten und den tatsächlichen Bedarf ihrer Büroflächen eruieren. Mitarbeitenden darf man zutrauen zu wissen, was sie brauchen, um in ihrem Job erfolgreich zu sein. Zuviel Homeoffice empfinden sie als Isolation. Sie haben erkannt, dass der persönliche, formelle und informelle Austausch mit Führungskräften und Kollegen sie produktiver und zufriedener macht. Darauf lässt sich aufbauen.
Mitarbeitende und Führungskräfte können gemeinsam das für sie optimale Mass an Präsenz im Corporate-Office ausloten. Sinnvollerweise gibt das Unternehmen einen groben Rahmen vor und lässt den Teams wie Abteilungen bei den Details freie Hand. Die Tätigkeiten und Prozesse werden analysiert und darauf basierend eine Vereinbarung getroffen. Ein „Mitspracherecht“ sollte zudem allen Mitarbeitenden eingeräumt werden – auch jenen, die selbst nicht im Homeoffice arbeiten können oder wollen.
Danny Schweingruber, Leiter New-Work-Akademie, |