Business Agility: Trends 2022

Wir erle­ben gera­de expo­nen­ti­el­le Ver­än­de­run­gen und pas­sen unse­re Arbeits­wei­sen an. Aber wo geht die Rei­se hin? Sind wir noch agil oder längst schon teal? Die­se Fra­gen beant­wor­tet der Mit-Grün­der und CEO des Bera­tungs­un­ter­neh­mens LIVE­sci­en­ces Timm Urschinger.

Remote Work funktioniert, wenn Unternehmen und Mitarbeitende an einem Strang ziehen. Abbildung: Cowomen, Pexels
Remo­te Work funk­tio­niert, wenn Unter­neh­men und Mit­ar­bei­ten­de an einem Strang zie­hen. Abbil­dung: Cowo­men, Pexels

Der Wan­del schafft neue Mög­lich­kei­ten für wirt­schaft­li­chen Fort­schritt, gesell­schaft­li­chen Wohl­stand und mensch­li­ches Wohl­erge­hen. Den­noch ist die Zukunft unvor­her­seh­bar. Das erfor­dert eine offe­ne Denk­wei­se. Die mei­sten Men­schen sind durch­aus bereit dazu, füh­len sich jedoch zugleich über­for­dert und haben das Gefühl, immer mehr die Kon­trol­le über das eige­ne Leben zu ver­lie­ren. Die ent­schei­den­de Fra­ge lau­tet: Was kann man als Ein­zel­ner und als Unter­neh­men tun, um trotz all die­ser Her­aus­for­de­run­gen nicht nur zu über­le­ben, son­dern zu gedeihen?

#1 Überlebensgrosse Neugierde

Erin­nern wir uns an gro­ße Ent­deckun­gen. Unab­hän­gig davon, ob die­se Ent­deckun­gen die gan­ze Welt oder nur uns selbst betref­fen, zie­hen Men­schen, denen das Lösen eines Pro­blems am Her­zen liegt, kei­ne vor­ei­li­gen Schlüs­se. Sie begin­nen mit einer über­le­bens­gros­sen Neu­gier. Dazu benö­ti­gen wir vor allem Geduld. Wir müs­sen (uns) Fra­gen stel­len, Zweif­lern ent­ge­gen­tre­ten, mit Wider­stän­den kämp­fen, bis sich ent­hüllt, was wirk­lich zählt. Auch wenn wir uns nicht immer dar­an erin­nern, muss­ten wir alle im Leben ein­mal lau­fen und spre­chen ler­nen – und sobald wir dies konn­ten, began­nen wir unse­re Umge­bung zu erkun­den. Das waren genau die Momen­te, in denen wir gelernt haben, unse­re Pro­ble­me am schnell­sten zu lösen – und sogar spie­le­risch und mit Freu­de. Daher der Rat: Sei­en Sie wie­der mehr Kind!

#2 Alles beginnt mit Vertrauen und Transparenz

Alle reden über Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on, auto­no­me Teams und wel­che Kri­te­ri­en man als Ein­zel­ner, Team oder Unter­neh­men erfül­len muss, um wirk­lich agil zu wer­den. Aber womit fängt man an? Die Erfah­rung zeigt: Wenn wir fünf Per­so­nen im Unter­neh­men fra­gen, was die Grund­la­ge einer agi­len Orga­ni­sa­ti­on ist, erhal­ten wir fünf ver­schie­de­ne Ant­wor­ten. Dabei gibt es dar­auf nur eine Ant­wort: Die Basis jeder agi­len Orga­ni­sa­ti­on bil­den Ver­trau­en und Trans­pa­renz. Tech­ni­sche Details und Regeln sind nutz­los, wenn Füh­rungs­kräf­te, Chefs und Mana­ger nicht selbst bereit sind, radi­kal trans­pa­rent zu sein und ihren Mit­ar­bei­ten­den zu vertrauen.

#3 Einen sicheren Raum schaffen

Wir alle ken­nen das Gefühl, wenn eine gros­se Aus­wahl eher ein­schrän­kend wirkt. Ver­ges­sen Unter­neh­men, einen siche­ren Raum für ihre Mit­ar­bei­ten­den zu schaf­fen, ist Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on das Schlimm­ste, was man Men­schen antun kann. Und somit auch das gröss­te Risi­ko auf dem Weg zur Agi­li­tät. Denn mit der Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on kommt auch die Ver­ant­wor­tung. Mit­ar­bei­ten­de sind plötz­lich für ihre Auf­ga­ben, Aktio­nen und Agen­da selbst ver­ant­wort­lich. Eini­ge, die zuvor in hier­ar­chi­schen Struk­tu­ren gear­bei­tet haben, wer­den dies nicht als befrei­end emp­fin­den – ganz im Gegen­teil! Füh­rungs­kräf­te kön­nen (und müs­sen) ihren Mit­ar­bei­ten­den hel­fen, indem sie einen siche­ren Raum schaf­fen, in dem nie­mand eine pro­fes­sio­nel­le Mas­ke tra­gen muss, son­dern jeder Mensch er selbst sein kann.

Agile Arbeitsweisen können Produktivität und Kreativität der Mitarbeitenden fördern. Abbildung: Karolina Grabowska, Pexels
Agi­le Arbeits­wei­sen kön­nen Pro­duk­ti­vi­tät und Krea­ti­vi­tät der Mit­ar­bei­ten­den för­dern. Abbil­dung: Karo­li­na Gra­bows­ka, Pexels

#4 Kreise sind nicht beweglicher als Pyramiden!

Agi­li­tät und die VUCA-Welt sind nicht nur Schlag­wor­te. Um als Orga­ni­sa­tio­nen agil zu wer­den, gibt es vie­le Mög­lich­kei­ten. Aus pyra­mi­den­för­mi­gen Struk­tu­ren wer­den holok­ra­ti­sche Krei­se. Netz­werk­or­ga­ni­sa­tio­nen ste­hen hoch im Kurs. Pro­jekt­ma­na­ger hei­ßen jetzt Scrum-Master. Aber hilft das Unter­neh­men wirk­lich dabei, agi­ler zu wer­den? Fakt ist: Struk­tur unter­stützt die Ent­wick­lung neu­er Ver­hal­tens­wei­sen sowie das Ver­ler­nen alter Muster. Das ist es, was wir letzt­end­lich in einer Trans­for­ma­ti­on wol­len. Des­halb gilt: Egal, für wel­chen agi­len Weg sich Unter­neh­men ent­schei­den, es macht Sinn, drei Dimen­sio­nen zu beach­ten: erstens die kon­ti­nu­ier­li­che Wei­ter­bil­dung in agi­len Metho­den und Tools. Zwei­tens die Inve­sti­tio­nen in Denk­wei­sen und Fähig­kei­ten der Mit­ar­bei­ten­den. Und drit­tens die Ent­wick­lung der rich­ti­gen Organisationsstruktur.

#5 Purpose macht Sinn

In unsi­che­ren Zei­ten kon­zen­trie­ren sich Unter­neh­men heu­te mehr denn je dar­auf, Wachs­tum zu rea­li­sie­ren. Wachs­tum, das sich in der Regel in Zah­len nie­der­schlägt. In Zukunft wird neben dem Wachs­tum aber ein Punkt immer wich­ti­ger: Pur­po­se! Denn es ist der Zweck, der Men­schen über­zeugt, der Kun­den kau­fen lässt. Mit­ar­bei­ten­de, die wis­sen, war­um sie etwas tun, sind die stärk­sten Mar­ken­bot­schaf­ter. Aktiv set­zen sie sich für ein gemein­sa­mes Ziel ein. Und wer wünscht sich nicht die Syn­er­gie moti­vier­ter Mitarbeitender?

#6 Remote-Work – gekommen, um zu bleiben

Für vie­le wur­de in den ver­gan­ge­nen Mona­ten ein Traum wahr: bequem von zu Hau­se arbei­ten. Ande­re stürz­ten Home­of­fice und Home­schoo­ling in den Burn­out. Und ein klei­ner Teil weiss bis heu­te nicht, was denn nun eine gute, ja die beste Lösung ist. Eine der unbe­streit­ba­ren Tugen­den der tra­di­tio­nel­len Büro­ar­beit ist, dass Auf­ga­ben nach einem Plan ver­wal­tet wer­den. Inzwi­schen haben wir gelernt, ver­schie­de­ne Tech­ni­ken und Tools zu nut­zen, die es uns ermög­li­chen, zu pla­nen. Schaf­fen wir es dann noch, uns an die­sen Plan zu hal­ten, dann sind wir die­je­ni­gen, die das System regie­ren, anstatt von ihm regiert zu wer­den. Dann darf Remo­te-Work mit all sei­ner Frei­heit ger­ne bleiben.

#7 Teal – das zukünftige Organisationsmodell

Die mei­sten Unter­neh­men stre­ben nach Inno­va­ti­on, bre­chen aber kei­ne Orga­ni­sa­ti­ons­mu­ster. Das pri­va­te Umfeld zeigt uns, dass wir die Wahl haben: ent­we­der aus unse­rem Ego oder aus dem Bewusst­sein des Öko­sy­stems her­aus zu han­deln. Wie könn­te unse­re Welt aus­se­hen, wenn wir die­se Acht­sam­keit auch im Busi­ness prak­ti­zie­ren? Wäre die Welt nicht ein schö­ne­rer Ort für uns alle? Tat­säch­lich wis­sen wir seit lan­gem, dass neue Orga­ni­sa­ti­ons­for­men mit einer ganz­heit­li­chen Sicht­wei­se zu Wachs­tum auf allen Ebe­nen füh­ren kön­nen. Agi­li­tät, Teal (nach Fre­de­ric Laloux, Autor von „Reinven­ting Orga­nizati­on“) und neue Arbeits­wei­sen sind für vie­le kei­ne Fremd­wör­ter mehr, son­dern schlicht­weg gesun­der Menschenverstand.

Betrach­ten wir die Ent­wick­lun­gen der letz­ten bei­den Jah­re, sind vor allem die Unter­neh­men span­nend, die es ver­stan­den haben, durch Weit- und Zuver­sicht mit die­ser Kri­se umzu­ge­hen. Unter­neh­men, die nicht vor Angst erstarrt sind und sich in der selbst-fokus­sier­ten Umset­zung und Defi­ni­ti­on neu­er Regeln ver­fan­gen haben. Es gibt sie sehr wohl: Arbeit­ge­ber, die über den Tel­ler­rand des Ego-Systems ihres Unter­neh­mens hin­aus­den­ken. Wer auf sei­ne Beleg­schaft hör­te und Mass­nah­men umge­setzt hat, die Soli­da­ri­tät und gegen­sei­ti­ge Unter­stüt­zung ermög­li­chen, war gut beraten.

 

Abbildung: LivesciencesTimm Urschin­ger,
Mit­grün­der, CEO,
LIVEsciences.
livesciences.com