Während der Pandemie waren Videokonferenzen ein unverzichtbares Kommunikationsmittel. Doch wie sieht das heute im postpandemischen New Normal aus? Im Interview spricht Nils Britze vom Digitalverband Bitkom e.V. über das Ende der Boom-Phase, Umweltauswirkungen und Videocalls im Metaverse.
Büroblog Schweiz: Herr Britze, wie viele Stunden verbringen Sie am Tag in Videocalls?
Nils Britze: Ich denke, dass es im Wochenschnitt circa zwei bis drei Stunden täglich sind. Es gibt sicherlich Ausreisser nach oben, allerdings auch Tage, an denen es weniger sind. Nach dem Ausbruch der Pandemie war es mehr, allerdings haben wir beim Digitalverband eine gute Meeting-Hygiene entwickelt. Das heisst: die Anzahl an internen Calls minimieren und sich wirklich nur zu Calls dazuschalten, in denen die Anwesenheit notwendig ist.
Physische Treffen sind wieder nahezu ohne Einschränkungen möglich. Könnte das das Ende des Videokonferenz-Booms bedeuten?
Ich denke, dass die Boomphase wahrscheinlich vorbei ist. Was wir im letzten Jahr erlebt haben, ist, dass sich die Nutzung von Videokonferenzen auf einem hohen Niveau verstetigt hat. Für mich sind Videocalls ein Element – von natürlich mehreren –, um produktiv ortsunabhängig arbeiten zu können. In vielen Unternehmen wird das hybride Miteinander mittlerweile gelebt und das klappt im Grossen und Ganzen auch sehr gut. Sogar so gut, dass knapp neun von zehn Beschäftigten zumindest teilweise im Homeoffice arbeiten möchten, um zum Beispiel Beruf und Familie besser zu vereinbaren oder intensive Reisetätigkeiten zu minimieren.
Die Bildübertragung verursacht bei Videocalls einen hohen Stromverbrauch. Wie hoch ist er im Vergleich mit einem Telefonat und wie viel lässt sich sparen?
Das kommt auf viele Faktoren wie etwa den Anbieter oder den Strommix an und lässt sich nicht pauschal beantworten. Ein Videocall ersetzt längst nicht nur den einfachen Telefonanruf, sondern auch unzählige Autofahrten zu Hauptverkehrszeiten oder Dienstreisen. In unserer Nachhaltigkeitsstudie haben wir zum Beispiel CO2-Nettoeffekte vom Einsatz von digitalen Lösungen berechnet und kommen zu dem Ergebnis, dass diese enormes Einsparpotenzial besitzen.
Mit welchen technischen Innovationen kann bei Videokonferenzen künftig gerechnet werden?
Es gibt nach wie vor Innovation bei der Art und Weise, wie Konferenzen angeboten werden. Allerdings besteht aus meiner Sicht noch grösseres Potenzial bei der Einbindung in die weiteren Lösungen des digitalen Arbeitsplatzes. Der Einsatz von Videokonferenzen hat sich seit der Coronapandemie etabliert, bei der Anwendung von komplexeren Anwendungen wie etwa im Bereich des Wissensmanagements oder der Überführung von Informationen aus Videocalls in digitale Workflows besteht noch grosses Potenzial.
Und wann werden wir Videokonferenzen nur noch als Teil des Metaverse kennen?
Wir im Bitkom haben in unserem Team bereits zu Beginn der Coronapandemie Teammeetings teilweise in der virtuellen Realität durchgeführt. Das ist spannend und geht natürlich schon heute. Die eigentliche Frage ist eher, wann die Mehrwerte überwiegen, und da sind wir beim Zweck des Einsatzes. Wenn es darum geht, eine einfache Information zu übermitteln, reicht wahrscheinlich auch das Telefon. Wenn es darum geht, sich in grösseren Gruppen auszutauschen oder mehrere Leute zu erreichen, ist eine Videokonferenz eventuell zusammen mit Breakout-Sessions eine gute Option. Wenn es darum geht, gemeinsam in einem Projekt zu arbeiten, in dem Kreativität und Nähe gefragt sind, bieten Meetings in der virtuellen Realität – oder dem Metaverse – tolle neue Möglichkeiten.
Vielen Dank.