Homeoffice funktioniert nur, wenn es in eine entsprechende Kultur eingebettet ist, sagt Prof. Dr. Heike Bruch von der Universität St. Gallen. Wir sprachen mit der renommierten Expertin über die Arbeit zu Hause, Hybrid Working sowie über Herausforderungen und Chancen des neuen Arbeitens.

Büroblog Schweiz: Was zählt zu den grössten Herausforderungen bei der Arbeit zu Hause?
Prof. Dr. Heike Bruch: Eine der Gefahren ist Isolation. Durch die fehlende tägliche Interaktion mit Kollegen kann das Gefühl entstehen, einsam und von der Organisation abgeschnitten zu sein. Auch Erschöpfung ist ein Thema: Rein virtuelle Kommunikation und das Gefühl der ständigen Erreichbarkeit können Mitarbeitende vermehrt erschöpfen und belasten. Vor allem, wenn Technostress dazu kommt. Menschen mit erhöhtem Technostresserleben fühlen sich leer, müde oder emotional erschöpft. Auf der Leistungsseite können Innovationsprozesse erschwert werden, sobald spontane Gespräche oder kreative Workshops im Büro zu kurz kommen. Und schliesslich kann auch der Zusammenhalt leiden, insbesondere wenn mobiles Arbeiten nur einem Teil der Mitarbeitenden ermöglicht wird.
Was empfehlen Sie Unternehmen zur Umsetzung von Hybrid Working?
Zum einen ist ein sichtbares Commitment des Top-Managements notwendig, zum anderen müssen Hybrid-Work-Purpose und -Spielregeln gemeinsam entwickelt werden. Es muss exploriert und experimentiert werden, bevor ein Roll-in startet. Wichtig dabei ist, dass alle zum Hybrid Way of Work empowert werden. Wirklich wirksam wird hybrides Arbeiten allerdings erst, wenn jedes Team eine Team-Charta zum Umgang mit Ort, Zeit und Kommunikationskanälen definiert.
Halten Sie ein Recht auf Homeoffice für sinnvoll?
Nein, das ist nicht sinnvoll. Allerdings wird eine Freiheit bezogen auf die Wahl von Ort und Zeit normal werden. Nicht unbegrenzte Freiheit, sondern orchestrierte Freiheit im Rahmen einer Gemeinschaft. Menschen fordern die Freiheiten jetzt bereits verstärkt ein und dies wird zunehmen. Unternehmen sollten jedoch Spielregeln entwickeln und innerhalb dieser Leitplanken die Möglichkeit geben, dass Teams das optimale Set-up abstimmen, also wie sie am besten arbeiten und die Freiheiten im Sinne von Leistung zu individuellen Bedürfnissen nutzen wollen.
New Work hat bereits in vielen Unternehmen für eine neue Arbeitskultur gesorgt. Was ist elementar für den Erfolg eines solchen Wandels?
Für eine erfolgreiche und nachhaltige Veränderung zur neuen Arbeitswelt braucht es vor allem eine Kulturveränderung. Wir können evidenzbasiert sehr klar zeigen, dass bestimmte Kulturfaktoren die Voraussetzung für den Erfolg von New Work sind: Top-Management als Vorbild, eine Kultur von Vertrauen, moderne Führung und die Selbstkompetenz von Mitarbeitenden. Ohne diese Kultur kann das Potenzial von New Work nicht ausgeschöpft werden. Bei 39 Prozent der Unternehmen finden wir sogar kontraproduktive Effekte – mehr Konflikte, Erschöpfung und kollektive Überhitzung.
Sie sprechen auch von einer Beschleunigungsfalle – wie können wir ihr entkommen?
Die Beschleunigungsfalle, also das kollektive Gefühl der Überhitzung, ist inzwischen bei 75 Prozent der Unternehmen vorherrschend. Und dies ist weder für die Menschen gut noch für den Erfolg des Unternehmens, geschweige denn für die Arbeitgeberattraktivität. Daher gilt es, der Beschleunigungsfalle gezielt entgegenzuwirken. Ansatzpunkte sind hierbei, dass konsequent Prioritäten geschärft und Stop-doing-Initiativen eingeführt werden. Unternehmen sind unheimlich gut darin, Projekte zu starten, aber sie müssen besser darin werden, diese auch zu beenden, wenn sich Prioritäten ändern oder zu viele Dinge begonnen wurden. Diesen Prozess nennen wir Frühjahrsputz. Zudem können Pit-Stops, also Momente, in denen Erfolge gefeiert und Dinge abgeschlossen werden, helfen, positive Energie zu tanken und sich wieder für neue Dinge zu begeistern. „Slow down to speed up“, ist hierbei das Motto.
Vielen Dank.