Stressfaktor Lärm: Interview mit Eberhard Schmidt

Die Arbeit im Gross­raum­bü­ro kann eine ech­te Bela­stung für Ner­ven und Gehör sein. Wie sich bei­des scho­nen lässt, erläu­tert Eber­hard Schmidt, Prä­si­dent der Bun­des­in­nung der Hör­aku­sti­ker (biha), im Interview.

Eberhard Schmidt ist Präsident der Bundesinnung der Hörakustiker. Abbildung: E. Schmidt
Eber­hard Schmidt ist Prä­si­dent der Bun­des­in­nung der Hör­aku­sti­ker. Abbil­dung: E. Schmidt

Büroblog Schweiz: Herr Schmidt, warum ist ein hoher Geräuschpegel im Büro ein Problem für das Gehör und die Konzentration?

Eber­hard Schmidt: Wenn es laut ist am Arbeits­platz, erhöht das den Stress­le­vel und wirkt sich nega­tiv auf die Lei­stungs­fä­hig­keit aus. Das gilt nicht nur in typisch lär­min­ten­si­ven Bran­chen und Pro­duk­ti­ons­stät­ten. Auch in Gross­raum­bü­ros kann die Lärm­be­la­stung erheb­lich sein. Da Ohren immer auf Emp­fang sind, wer­den sie per­ma­nent von einer Fül­le von Geräu­schen geflu­tet, die sie zur Wei­ter­ver­ar­bei­tung ans Gehirn sen­den. Je höher die Geräusch­ku­lis­se ist, desto mehr haben Gehör und Gehirn zu tun, um all die Rei­ze zu ver­ar­bei­ten und ein­zu­ord­nen. In einer Umge­bung mit vie­len Neben­ge­räu­schen und Stim­men im Hin­ter­grund ist es dar­um wesent­lich anstren­gen­der, sich auf sei­ne Arbeit zu kon­zen­trie­ren. Mit­ar­bei­ten­de ermü­den schnel­ler und machen leich­ter Fehler.

Welche Strategien empfehlen Sie, um das Gehör und die Nerven bei dauerhafter Lärmbelastung zu schonen?

Unser Gehör arbei­tet rund um die Uhr. Ein Leben lang. Um es zu ent­la­sten, soll­te ihm regel­mäs­sig eine Ruhe­pau­se gegönnt wer­den. Das schont auch die Ner­ven. Anders als Augen las­sen sich Ohren aber nicht ein­fach schlies­sen. Wenn die Geräusch­ku­lis­se im Gross­raum­bü­ro stört, soll­te über eine Gehör­schutz­lö­sung nach­ge­dacht wer­den. Sol­che Lärm­schutz-Oto­pla­sti­ken kön­nen spe­zi­el­le Fil­ter besit­zen, die gesund­heits­schäd­li­chen Lärm abschir­men, aber Lau­te und Stim­men hör­bar durch­las­sen, die für die Berufs­aus­übung wich­tig sind. Die­se spe­zi­el­le Gehör­schutz­lö­sung wird von Hör­aku­sti­kern indi­vi­du­ell ange­passt und sitzt kaum spür­bar im Ohr. Anders als Ein­weg­ohr­stöp­sel sind sie über Jah­re ein­setz­bar. Das ermög­licht es, in Ruhe zu arbei­ten, und dadurch den Stress­pe­gel zu sen­ken. Zudem emp­fiehlt es sich, Pau­sen zu nut­zen, um vom lau­ten Gross­raum­bü­ro in eine ruhi­ge­re Umge­bung zu wech­seln. Auch vom Tele­fo­nie­ren oder Musik­hö­ren über Kopf­hö­rer soll­ten Beschäf­tig­te ihrem Gehör immer wie­der eine Pau­se gön­nen, um die Beschal­lung zu reduzieren.

Was können Unternehmen tun, um Mitarbeitende vor Lärmbelastung zu schützen und gleichzeitig die Hörgesundheit zu fördern?

Lärm­ver­mei­dung heisst Stress­re­du­zie­rung und Gesund­heits­vor­sor­ge. Zur Prä­ven­ti­on tra­gen Arbeits­schutz­ge­set­ze und -rege­lun­gen bei, die Grenz­wer­te für die Lärm­be­la­stung am Arbeits­platz vor­ge­ben und bei ihrer Über­schrei­tung zu Schutz­mass­nah­men ver­pflich­ten. An Arbeits­plät­zen, an denen die­se Grenz­wer­te nicht erreicht wer­den, sind Arbeit­ge­ber gut bera­ten, ihren Ange­stell­ten die Arbeit in einer mög­lichst ruhi­gen und damit stress­ar­men Umge­bung zu ermög­li­chen. Lässt sich ein hoher Lärm­pe­gel nicht ver­mei­den, emp­fiehlt es sich, über ruhi­ge Arbeits­zo­nen im Büro nach­zu­den­ken, in die sich Mit­ar­bei­ten­de zurück­zie­hen kön­nen. Auch das Ange­bot von indi­vi­du­el­lem Gehör­schutz kann hel­fen und die Hör­ge­sund­heit der Mit­ar­bei­ten­den fördern.

Welche Rolle spielen regelmässige Hörtests?

Die pro­fes­sio­nel­le Über­prü­fung des Gehörs vom Hör­aku­sti­ker oder HNO-Arzt gehört zur regel­mäs­si­gen Gesund­heits­vor­sor­ge. Das Hör­ver­mö­gen lässt mit zuneh­men­den Alter nach, das ist ganz natür­lich. Ab dem 50. Lebens­jahr soll­te dar­um prä­ven­tiv jähr­lich ein pro­fes­sio­nel­ler Hör­test durch­ge­führt wer­den. Wer sein Gehör oft gros­sen Laut­stär­ken aus­setzt oder das Gefühl hat, dass er nicht mehr alles deut­lich ver­steht, soll­te schon frü­her sein Gehör testen, unab­hän­gig vom Alter. Ein­fach hin­neh­men, aus­hal­ten oder igno­rie­ren soll­ten Betrof­fe­ne eine Hör­schwä­che nicht. Denn je eher ein Hör­ver­lust erkannt wird, desto bes­ser lässt er sich zumeist aus­glei­chen und damit Lebens­qua­li­tät und Lei­stungs­fä­hig­keit erhalten.

Vielen Dank.